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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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haben, die Studentin zu
    beschatten und abzulichten, wann immer sich eine Gelegenheit bot. Hinzu kam die Behauptung Ena
    Wittys, er habe Miss Mills in der Wohnung von Linda Gardner durch ein Fernglas
    beobachtet.
    Valerie spürte seit Jennifer Brankleys Anruf eine fast atemlose Erregung. Das alles konnte kein
    Zufall sein. Ein Typ, der direkt gegenüber der Wohnung lebte, in der Amy Mills den letzten
    Abend ihres Lebens verbracht hatte. Der seiner derzeitigen Freundin gegenüber behauptet hatte,
    Amy Mills während ihrer allwöchentlichen Kinderbetreuung bis in die intimsten Verrichtungen
    hinein beobachtet zu haben. Dessen Kommodenschublade im Wohnzimmer überquoll von Fotos der
    Ermordeten.
    Sollte einer sagen, der Kerl wäre bloß ein harmloser Spinner! Dennoch war es nicht leicht
    gewesen, den Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Sie hatte Ena Witty und Jennifer Brankley in
    Wittys Wohnung aufgesucht. Ena Witty war kreidebleich gewesen und schien völlig aus dem
    Gleichgewicht geworfen, weil sich ihr neuer Freund als möglicher Schwerverbrecher entpuppte,
    eine Entwicklung, die, wie Valerie zugeben musste, auch selbstbewusstere und forschere Frauen,
    als es Witty zu sein schien, umgehauen hätte. Jennifer Brankley zumindest behielt
    offensichtlich die Nerven. Sie war es wohl auch gewesen, die geistesgegenwärtig genug gewesen
    war, einen Stapel Fotos aus der Wohnung des Verdächtigen mitzunehmen, so dass Valerie
    buchstäblich etwas in der Hand hatte, was sie dem Richter unter die Nase halten
    konnte.
    »Es ging alles so schnell«, hatte Jennifer erklärt. »Ich hatte eine Heidenangst, Gibson könnte
    plötzlich zur Tür hereinspaziert kommen. Ich habe diese Bilder an mich gerafft, Ena hat noch
    ein paar persönliche Dinge eingepackt, und dann haben wir uns aus dem Staub
    gemacht.«
    Valerie hatte sehr behutsam mit Ena Witty gesprochen. Zwar hatte es sie in den Fingern gejuckt,
    möglichst schnell möglichst viele Informationen zu bekommen, aber die junge Frau wirkte so
    erschüttert, dass es geraten schien, vorsichtig mit ihr umzugehen. »Er hat gesagt, er hat Amy
    Mills durch ein Fernrohr beobachtet, wenn sie bei Linda Gardner das Kind hütete?« »Ja. Er hat
    das mehrfach gesagt. Er hat mir auch das Fernrohr gezeigt. Es steht in seinem Wohnzimmer. Er
    war stolz darauf, dass er sie so gut hat sehen können!« Dazu die Fotos ... Valerie wusste, dass
    sie in die Wohnung musste. Möglichst bevor Stan Gibson die Gefahr bemerken und belastendes
    Material beiseiteschaffen konnte. »Er ist aber nicht nach Hause gekommen, während Sie dort
    waren?«, vergewisserte sie sich. »Oder hat Sie beim Verlassen der Wohnung gesehen?«
    »Zumindest nicht dass wir es bemerkt hätten«, erwiderte Jennifer, »und ich denke, er hätte uns
    angesprochen, wenn er uns gesehen hätte. Wissen Sie, ich hatte solche Angst wegen des Regens.
    Ena sagt, er ist auf einer Baustelle in Hull, aber wenn es so schüttet, brechen die dort
    womöglich die Arbeit ab. Ich dachte, er kommt bestimmt jeden Moment zurück.«
    »Wir werden überprüfen, wo er sich aufhält«, sagte Valerie. »Irgendwo muss er ja stecken. Miss
    Witty, ich werde heute sicher noch mit Ihnen sprechen müssen. Bleiben Sie hier in Ihrer
    Wohnung?«
    »Natürlich. Ich ... wüsste gar nicht, wohin ich gehen sollte. Ich habe Angst. Er wird so wütend
    sein, Inspector. Vielleicht hat er ja mit der Ermordung von Amy Mills gar nichts zu tun. Er
    wird es mir nie verzeihen, dass ich zur Polizei gegangen bin ... «
    »Es gab keinen anderen Weg, Ena, das habe ich Ihnen doch erklärt«, sagte Jennifer sanft, und
    Valerie erkannte, dass es wohl ausschließlich Jennifer Brankley zu verdanken war, dass Stan
    Gibsons mehr als eigenartiges Verhalten der Polizei übermittelt worden war. Ena Witty allein
    hätte sich zu diesem Schritt nicht durchringen können. Sie hätte so lange gezaudert und
    gehadert, bis Stan Gibson ihre Verstörtheit bemerkt hätte und zumindest die Bilder in einem
    sicheren Versteck hätte verschwinden lassen.
    »Ich bleibe vorläufig bei Ena«, sagte Jennifer leise, als sie Valerie Almond zur Tür
    begleitete. »Ich glaube, sie sollte im Moment nicht allein sein.«
    Die Situation verleiht ihr Kraft, hatte Valerie gedacht, es tut ihr gut, gefordert zu werden.
    Sie steht nicht mehr so sehr unter Strom. Sie wirkt ruhiger und souveräner.
    Der Richter war alles andere als begeistert gewesen, als Valerie mit dem
    Antrag auf einen Durchsuchungsbeschluss für Gibsons Wohnung bei

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