Das andere Kind
Frau?«
„Karen. Eine Studentin. Wir waren eine Zeitlang zusammen. Wegen Gwen hatte ich mich von ihr
getrennt.« „Offensichtlich nicht wirklich.«
„Eigentlich schon. Aber
hin und wieder bin ich schwach geworden. Sie wollte mich nicht verlieren, sie hat es mir im-
mer sehr leicht gemacht ... Aber klar, so hätte es nicht laufen dürfen.«
Sie
trat einen Schritt näher an ihn heran. »Dave. Du hast eine Affäre mit deiner Exfreundin. Heute
Nacht wollte st du mit mir schlafen. Und . «
Er unterbrach sie.
»Es tut mir sehr leid, wenn ich ... «
Sie fiel ihm ins
Wort. »Ich bin nicht verletzt, Dave. Zurzeit bist du wahrscheinlich bereit, so ziemlich jede
Frau in Scarborough zu beglücken, die dir halbwegs gefallt und die nicht völlig abgeneigt ist.
Ich nehme es keineswegs persönlich, dass ich eine von vielen gewesen wäre.«
Er betrachtete sie mit Wärme, wie ihr schien. »Du wärst nicht eine von vielen gewesen,
Leslie. Du bist nicht eine von
vielen.«
»Ich bin ein
Teil deiner chaotischen und heillosen Lebenssituation, Dave. So wie diese Karen. So wie Gwen.
Du steckst in einer Krise, und du agierst wild und ungeordnet, verzweifelt hoffend, dass sich
irgendein Weg für dich auftut. Dein Lebenskonzept ist nicht aufgegangen, oder es zeigt sich,
dass es ein Fehler war, nie eines gehabt zu haben. Diese Dinge bemerkt man meistens, wenn man
um die vierzig ist. Und dann vermag man durchaus panisch zu reagieren.«
Er lächelte
ein wenig. »So wie du?«
»Ich bin
nicht verdächtig in einem Mordfall. Und ich betrüge niemanden. Meine Panikanfälle mache ich mit
mir selbst aus.«
»Und mit
jeder Menge Whisky.«
»Auch die
Folgen des Whiskys trage ich allein.«
Er stand auf,
angespannter jetzt. »Was willst du, Leslie? Diesen Vortrag hältst du mir ja nicht nur deshalb,
weil du gerade nichts Besseres zu tun hast. Worauf zielt das ab?«
Sie holte
tief Luft. »Ich kenne Gwen schon ewig. Meine Großmutter und ihr Vater waren ein Leben lang
befreundet. Ich habe viel Zeit auf der Beckett-Farm verbracht. Ich will nicht behaupten, eng
befreundet zu sein mit Gwen, dafür sind wir zu verschieden. Aber ich empfinde Verantwortung für
sie. Sie ist fast eine Art Familienmitglied für mich. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie sie
... « » ... sich an einen Windhund wie mich verschleudert?« »Du betrügst sie schon, bevor ihr
überhaupt verheiratet seid. Die Vorstellung, mit ihr irgendwann intim werden zu müssen, flößt
dir Grauen ein. Du kannst nicht das Geringste mit ihr anfangen. Meine Großmutter hatte recht:
Du willst wirklich nur die Farm. Das Land. Und sonst nichts.«
Er zuckte die
Schultern. »Das habe ich dir gegenüber längst zugegeben.«
»Ich kann
Gwen da nicht hineingeraten lassen.«
»Du willst
ihr alles erzählen? Von Karen? Von ... uns?« »Ich möchte, dass du ihr alles
erzählst.«
»Leslie, ich
... «
»Bitte, Dave.
Geh zu ihr. Bring das in Ordnung. Sag ihr die Wahrheit. Über Samstagnacht und über
dich«
»Sie bricht
zusammen, wenn ich das tue.«
»Wenn ihr
heiratet und gemeinsam in ein gigantisches Fiasko stolpert, bricht sie noch viel heftiger
zusammen. Oder glaubst du, du kannst deine Affären, deine Ausflüchte, dein Unglück in dieser
Ehe ewig vor ihr verbergen?«
»Vermutlich
nicht«, räumte er ein.
»Bring es
hinter dich, so schnell du kannst.«
Er sagte
nichts. Sie ahnte, dass er verschiedene Möglichkeiten erwog. Er war es gewohnt, sich trickreich
durchs Leben zu schlängeln, nirgendwo wirklich anzuecken, sich aus unangenehmen Situationen
herauszuwinden. Der gerade Weg, von unangenehmen Konsequenzen gesäumt, war ihm nicht vertraut.
Und nie zuvor war ihm ein Mord in die Quere gekommen. Fionas gewaltsamer Tod hatte nicht nur
Daves Konzept umgeworfen, er hatte ihn auch erstmals in einen Bereich katapultiert, in dem mit
seinen üblichen Schummeleien, Ausflüchten, Tricksereien kein Meter Boden zu gewinnen war. Es
war eine Sache, Frauen, die ihn anschmachteten, gegeneinander auszuspielen und elegant
aneinander vorbeizuschleusen. Eine andere Sache war es, sich einer Mordkommission gegenüber
erklären zu müssen. Ein paar verdammte Nummern größer, dachte Leslie.
»Ich vermute,
du lässt mir nicht die Wahl«, sagte Dave schließlich. »Wenn ich nicht zu Gwen gehe, dann gehst
du zu ihr, oder?«
»Ehe ich
zusehe, wie ihr heiratet - ja.« »Dann möchte ich es schnell tun«, sagte er.
Sie ahnte,
dass er nicht nur deshalb
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