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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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vollständig zurückgezogen habe. Du und die Hunde,
    ihr seid über lange Phasen meine einzige Gesellschaft. Ich habe Schwierigkeiten, mich unter
    Menschen zu begeben. Ich kann nicht einmal Auto fahren, weil ich es mir nicht mehr zutraue.
    Mehr Leben wird von zahllosen Ängsten blockiert. Ich kann das nur vielleicht besser verbergen
    als manch anderer.«
    »Aber ein Stan Gibson würde es durchschauen?« »Davon bin ich überzeugt. Genau dafür hat er
    die perfekten Antennen. Hätte ich dich nicht, ich wäre ein total vereinsamter Mensch. Von allen
    möglichen Ängsten gejagt. Und wahrscheinlich zu einer Menge Zugeständnisse bereit, nur damit
    sich jemand um mich kümmert.« Es fiel ihm nichts ein, womit er ihre Theorie widerlegen konnte.
    »Ach, Jennifer«, sagte er hilflos. Und fügte dann hinzu: »Aber du hast mich. Du wirst mich
    immer haben.« Aber darum ging es nicht, das hatte sie nicht gemeint. Er wusste es.
    »Was glaubst du, weshalb hat mich DI Almond sofort ins Visier genommen?«, fuhr Jennifer fort,
    ohne auf Colins Einwurf zu achten. »Hier war ich doch auch Opfer - im Handumdrehen und ohne
    dass es einen echten Grund gab.«
    »Nun, du musst bedenken ... «
    Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ich bin so wütend, Colin, so unfassbar wütend, und ich glaube,
    dass ich mit jedem Tag, der jetzt kommt, noch wütender sein werde. Ich bin wütend über die Art,
    wie sie mich damals aus meinem Beruf gedrängt haben. Darüber, wie diese Polizistin versucht
    hat, meine Vergangenheit gegen mich zu verwenden. Darüber, wie ich mich verkrochen habe in all
    den Jahren. Wie ich aufgehört habe zu leben. Wie ich mich gefühlt habe - verwundet,
    überwältigt, angegriffen. Darüber, was der tiefere Grund dafür war, dass es mich immer wieder
    hierher auf die Beckett-Farm zog: Eben weil sie hier nicht leben, weil sie hier nur existieren
    wie lebend Begrabene, Gwen und ihr Vater, deshalb habe ich mich hier wohlgefühlt. Ich passte
    hierher, weil ich auch leblos war und wie versteinert, und ich möchte das nicht mehr. Ich will
    nicht mehr hierherpassen, in dieses abgelegene Haus am Meer, wo sie nur bestrebt sind, die Welt
    möglichst weit draußen zu belassen. Ich möchte wieder Teil der Welt sein. Nicht ihr
    Opfer.«
    An den Ausgangspunkt ihres Gesprächs denkend, war Colin zwar versucht zu sagen: Und da
    manövrierst du dich wieder in eine Opferrolle, indem du eine krumme Geschichte mit Gwen
    einfädelst?
    Aber er sagte es nicht. Es hätte nicht gepasst. Jennifer hatte einen Fehler gemacht, aber auf
    dem Weg, den sie nun einzuschlagen im Begriff war, hätte ein kleinliches Herumkritisieren an
    einer unbedachten Handlung nur störend gewirkt. Sie hatte Größeres und Wichtigeres vor, als
    sich mit der Frage herumzuschlagen, wer Fiona Barnes umgebracht hatte und warum, und wer noch
    alles in den Fokus der Polizei geraten würde. Auch wenn sie selbst es sein sollte: Es schien
    keine Rolle in ihren Gedanken zu spielen. So lächelte er, eher ergeben als freudig, aber doch
    sollte sein Lächeln Jennifer seiner Unterstützung versichern.
    »Gut«, sagte er, »dann lass uns jetzt packen und dann aufbrechen. Und uns für immer von diesem
    Zimmer verabschieden, nicht wahr? Ich schätze, wir sehen es nicht wieder.«
    »Bestimmt nicht«, sagte Jennifer.
    »Ja, also«, sagte Semira, »die Kinder eines Arbeitskollegen meines Mannes
    hatten mich zweimal angesprochen. Sie seien an der Farm von McBright gewesen, und da hätten sie
    etwas Seltsames und Beunruhigendes bemerkt ... ein Kind, das in einem verlassenen Sc hafstall kauerte. Es habe einen eisernen Ring um
    den Hals und sei festgekettet. Es könne sich kaum bewegen, und es zittere vor
    Kälte.«
    „Und Sie verständigten nicht sofort die Polizei?«, fragte Leslie. Ihr war selbst eiskalt, bis
    in die Fußspitzen hinunter. Sie behielt ihre Jacke an, um ein wenig Wärme zu finden.
    »Ich habe mir das überlegt«, erwiderte Semira, »aber John riet mir ab. Tatsächlich waren diese
    Kinder durchaus auch für ihre übertriebenen Gruselgeschichten bekannt, die sie gern
    herumerzählten. John meinte, ich würde mich bis auf die Knochen blamieren, wenn ich mich an die
    Behörden wendete. Er riet mir, die ganze Sache nicht ernst zu nehmen. Ein Kind, das an einer
    Kette gehalten wird! So etwas gab es doch gar nicht!«
    »Aber Ihnen ließ die Geschichte keine Ruhe«, vermutete Leslie.
    »So ist es. Anders als John, der immer als Koch gearbeitet hatte, war ich
    keineswegs so sicher, dass es

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