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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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die ganze Familie um vier Uhr aus den
    Betten gescheucht, und Chad vermochte den Rhythmus, nach dem sein ganzes Leben verlaufen war,
    nun nicht mehr zu ändern. Er wollte es auch gar nicht. Er mochte die Stunden vor Tagesanbruch,
    wenn die Welt still war und schläfrig und ihm allein zu gehören schien. Oft hatte er die Zeit
    genutzt, im Morgengrauen hinunter an den Strand zu wandern, manchmal in dichtem Nebel, der vom
    Meer her zum Land drängte und alle Sicht nahm. Den Steilhang hinunter hatte er fast blind
    bewältigen müssen, aber das war kein Problem gewesen. Er kannte jeden Stein, jeden Ast. Er
    hatte sich immer sicher gefühlt.
    Jetzt konnte er das nicht mehr
    riskieren. Seit drei Jahren hatte er die böse Hüfte, die jeden Schritt beschwerlich für ihn
    machte. Zum Arzt ging er deswegen nicht. Er hatte nicht prinzipiell etwas gegen Ärzte, glaubte
    aber nicht, dass ihm jemand mit der Hüfte helfen konnte. Jedenfalls nicht ohne eine Operation,
    und der Gedanke an ein Krankenhaus erfüllte ihn mit Schrecken. Er hatte eine Ahnung, dass er,
    erst einmal dort gelandet, nicht wieder auf seine Farm zurückkehren würde, und da er fest
    vorhatte, in seinem eigenen Bett zu sterben, würde er sich jetzt, auf seinen letzten Metern,
    nicht mehr von seinem Grund und Boden entfernen.
    Lieber biss er die Zähne
    zusammen.
    Der Tag würde wieder sonnig und
    klar werden, und das bedeutete, ihm würde es nicht allzu schlecht gehen. Schlimm waren die
    nassen Tage, wenn ihm die klamme Kälte in die Knochen kroch. Das Haus war schlecht zu heizen,
    und speziell im Winter waren die Räume immer feucht. Seine Mutter hatte früher abends
    Ziegelsteine in die Betten gelegt, die sie zuvor stundenlang auf dem gusseisernen Ofen in der
    Küche auf geheizt hatte. Da auch die Laken nie ganz trocken wurden, hatte man sich damit
    zumindest etwas Wärme geholt. Aber seine Mutter war schon ewig tot, und Gwen hatte diese Sitte
    nie kennen gelernt. Er selbst dachte, wie von so vielem anderen auch, dass es sich für ihn
    nicht mehr lohnte, jetzt wieder damit anzufangen. Er fand die feuchte Bettwäsche am Abend
    unangenehm, aber irgendwann schlief man schließlich ein, und dann merkte man nichts mehr
    davon.
    Er lauschte nach oben. Alles
    schien noch zu schlafen. Kein Laut drang aus Gwens Zimmer, und auch bei den Brankleys und ihren
    Hunden regte sich noch nichts. Gut so. Nach einem Abend wie dem vergangenen würden sie ihm nur
    auf die Nerven gehen.
    Er schlurfte in die Küche, um
    sich einen Kaffee zu machen, prallte aber angesichts der Unordnung, die in dem kleinen Raum
    herrschte, an der Tür zurück. Da sich Jennifer den Abend über zunächst um Gwen gekümmert hatte
    und später noch einmal mit ihren Hunden losgezogen war, war es wohl Colin gewesen, der den
    Tisch abgeräumt hatte, aber er hatte seine Aufgabe mit dem Wegschaffen aller Teller und Gläser
    und Lebensmittel in die Küche offensichtlich als beendet gesehen. Das Geschirr türmte sich auf
    Tisch und Anrichte und stapelte sich in der Spüle. Reste von Suppe, Braten und Gemüse klebten
    in den Töpfen, die niemand abgedeckt hatte. Es roch unangenehm. Chad beschloss, vorläufig auf
    einen Kaffee zu verzichten. Langsam bewegte er sich hinüber in den kleinen Raum neben dem
    Wohnzimmer, der ihm und Gwen als eine Art Büro diente. Nicht dass die Farm noch einen echten
    Bürobetrieb erforderlich gemacht hätte. Aber hier hatten sie den Computer stehen, der, trotz
    Chads Weigerung, am Fortschritt der Zeit teilzuhaben, irgendwann auf Gwens Betreiben hin seinen
    Einzug ins Haus gehalten hatte. Aktenordner aus früheren Jahren, als die Beckett-Farm noch
    bescheidene Gewinne erwirtschaftet hatte, füllten die Holzregale entlang den Wänden. Ein paar
    Kataloge lagen auf dem Schreibtisch. Mode, wie Chad bemerkte, das Zeug, das sich Gwen hin und
    wieder bestellte. Er ließ sich ächzend auf dem Schreibtischstuhl nieder und fuhr den Computer
    hoch.
    Dass er es noch gelernt hatte,
    mit einem solchen Ding umzugehen! Lange genug hatte er sich gesträubt, aber schließlich hatte
    ihn Fiona überredet, sich eine E-Mailadresse zuzulegen. Genau genommen hatte sie das für ihn
    getan; ebenso hatte sie ihm ein Passwort eingerichtet. »Gwen sitzt oft am Computer. Sie muss ja
    nicht deine Post lesen«, hatte sie gesagt, und er hatte erwidert: »Welche Post? Ich bekomme
    schon keine normale Post, wer sollte mir denn Nachrichten über den Computer
    schicken?«
    »Ich«,
    hatte Fiona geantwortet, und dann

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