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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Damit hätte er gut leben,
    ihrer beider sich daraus ergebende intellektuelle Reibung als interessant empfinden können. Das
    Problem war, sie vertrat überhaupt keine politische Auffassung. Es war für sie völlig gleichgültig, ob Labour regierte oder die
    Konservativen, und tatsächlich änderte das eine wie das andere rein gar nichts an den
    Schwierigkeiten ihrer persönlichen Situation. Was vermutlich auf viele Menschen zutraf, bloß
    blendeten diese dann dennoch nicht alles aus, was sich nicht in ihrem allerdirektesten Umfeld
    abspielte. Es war ungewöhnlich, das zu tun. Es war fatal, dass Gwen es offenbar nicht anders
    tun konnte.
    »Ach, nichts«, sagte er also nur und verzichtete
    damit auf einen erneuten, von vornherein zum Scheitern verurteilten
    Versuch, seine zukünftige Ehefrau in sein Inneres blicken zu lassen und ihr etwas mitzuteilen
    von den Gedanken, Ängsten und Verstrickungen, denen er sich ausgeliefert sah.
    »Versprich mir einfach, dass du, solltest du etwas Wichtiges über Fiona wissen, dies der
    Polizei mitteilst«, fugte er hinzu. Das war schließlich der Ausgangspunkt gewesen. Dass Fiona
    und ihr Vater wohl irgendwann irgendeinen Mist gebaut hatten, den Gwen nun als schwer
    verdaulich empfand. Konnte relevant sein.
    Wahrscheinlich eher nicht, dachte er. Sie sah ihn an. Sie war schon wieder
    ganz woanders. Bei ihrem Ausgangspunkt.
    »Bleibst du ... bleiben wir ... ich meine ... hat sich etwas geändert?«, fragte
    sie.
    Jetzt, sagte seine innere Stimme, jetzt könntest du aussteigen. Mit einem einigermaßen guten
    Grund. Sie wäre verzweifelt, aber sie müsste das Scheitern eurer Geschichte nicht sich selbst
    zuschreiben. Alle Schuld läge bei Fiona, dem alten Drachen mit dem Schandmaul, und sie könnte
    sie hassen bis in alle Ewigkeit und müsste sich nicht wegen ihrer eigenen Unzulänglichkeit
    zerfleischen. Tu ihr den Gefallen. Nutze diesen gnädigen Moment.
    Er konnte es nicht. Wissend, dass es das Richtige wäre, konnte er es dennoch nicht tun. Sie war
    der Weg hinaus aus diesem kalten Zimmer. Aus diesem Leben am Rande des Existenzminimums. Aus
    tagelangem Schlafen, nächtelangem Trinken. Aus dem Gefühl, ein Versager zu sein, der nicht mehr
    auf die Beine kommen würde.
    »Nein, Gwen«, sagte er mit einer Stimme, die rau war von der Anstrengung, diesen Augenblick
    durchzustehen. »Nein. Es hat sich nichts geändert.«
    Sie erhob sich. Sie lächelte.
    »Ich möchte mit dir schlafen, Dave«, sagte sie. »Jetzt. Hier. Ich will es so sehr.«
    Großer Gott, dachte er entsetzt.
    Das Telefon klingelte, als Colin gerade begann, intensiv über ein Mittagessen nachzudenken. Es
    war schon halb drei, und er hatte richtigen Hunger. Niemand auf der Beckett-Farm schien sich
    heute für die Küche zuständig zu fühlen. Gwen war seit dem Morgen verschwunden, und keiner
    wusste, wohin, und Chad hatte sich in seinem Schlafzimmer verbarrikadiert -buchstäblich, denn
    die Tür war verschlossen, und auf ein vorsichtiges Nachfragen Colins hatte er nur mit einem
    unwirschen Brummen geantwortet.
    Detective Inspector Almond war da. Sie war
    urplötzlich aufgetaucht und hatte sofort erklärt, sich allein mit Jennifer unterhalten zu
    wollen. Seit einer halben Stunde saßen die beiden unten im Wohnzimmer, während Colin oben
    wartete und zunehmend unruhiger wurde. Und hungriger.
    Er eilte ins Arbeitszimmer hinunter, um den Anruf entgegenzunehmen. Immerhin gab ihm dies die
    willkommene Gelegenheit, sich mit gutem Grund näher an die Situation im Wohnzimmer
    heranzutasten.
    »Ja?«, meldete er sich, während er sich gleichzeitig das Ohr verrenkte, um irgendetwas von dem
    Gespräch nebenan mitzubekommen - was sich als aussichtslos erwies.
    »Hallo!« Es war eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung, recht leise und daher nicht ganz
    leicht zu verstehen. »Mit wem spreche ich denn bitte?«
    »Brankley. Colin Brankley. Beckett-Farm.«
    »Oh, Colin! Sie sind Jennifers Mann, nicht wahr? Hier spricht Ena. Ena Witty.«
    Colin hatte nicht die mindeste Ahnung, mit wem er es zu tun hatte. »Ja?«, fragte er. »Ich ...
    ich bin eine Freundin, eine gute Bekannte von Gwen Beckett. Ist Gwen vielleicht bitte zu
    sprechen?« »Leider nein«, sagte Colin, »Gwen ist nicht zu Hause. Kann ich ihr etwas
    ausrichten?«
    Ena Witty schien durch diese Auskunft aus dem Konzept gebracht. »Sie ist weg?«, fragte sie fast
    ungläubig.
    »Ja. Soll sie zurückrufen?«
    »Ja. Es ist ... ich müsste sie in einer wichtigen Angelegenheit

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