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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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von Serasan herübergebracht hatte, drosselte die Maschinen. Langsam lief es in die Bucht der Insel ein. Das blanke Türkis der See umspülte kahle, von der Sonne ausgebleichte Felsen. Im tiefen Wasser lag der Frachter mit Schlagseite wie ein verendetes Tier. Er krängte vierzehn oder fünfzehn Grad nach Backbord, Rostspuren liefen am Rumpf abwärts wie getrocknetes Blut.
Als hätte sie sich zum Sterben niedergelegt, dachte Leonard.
Beide Anker lagen auf Grund. Auf den Decks keine Bewegung. Die Details, die Leonard schon von weitem ausmachen konnte, beunruhigten ihn. Auf dem Peildeck Spuren einer Explosion, in den Brückenfenstern fehlte das Glas. Das Schiff starrte mit gebrochenen Augen in den blauen Himmel. Auf Höhe der hinteren Ladeluke hing das Fallreep herunter. Über diese eiserne Stiege musste jemand an Bord gegangen sein oder das Schiff verlassen haben. Leonard bat den Rudergänger des Schnellbootes, an dieser Stelle längsseits zu gehen.
„Oh, Gott. Ist mir schlecht“, stöhnte Talley.
„Warten Sie hier, wenn Sie wollen.“
Das könnte dir so passen, maulte Talley stumm. Laut blaffte er hinterher.
„Schon vergessen? ICH leite diese Untersuchung.“
Talley nahm sich fest vor, Leonard Finney zu hassen. Mit einer Kiste exquisiten Gins hätte man ihn nicht überreden können, an der Untersuchung teilzunehmen. Und dann machte dieser dreiste Kerl bei Runciman richtig Eindruck. Bekam sogar eine Einladung zum Diner. Ein Wildfremder! Er selbst stand da wie ein Idiot. Aber er würde Runciman beweisen, dass er mindestens so viel drauf hatte wie dieser hergelaufene Navy-Kadett. Es würde schwer genug werden. Schon der wackelige Flug nach Serasan in der Twin Otter hatte ihn zermürbt. Die Hitze und das Schaukeln des Bootes gaben ihm den Rest.
    Sie näherten sich langsam der Bordwand des Frac hters. Die Sonne stand im Zenit, kochte herunter. Durch seine Schräglage warf der Frachter einen gewaltigen Schatten auf das Schnellboot. Als warte der stumm daliegende Stahlriese auf den geeigneten Moment, um auf sie herunterzustürzen. Leonard wandte sich an den Schnellboot-Kommandanten.
„Der Kasten muss leckgeschlagen sein. Gibt es hier Riffe?“
Der Kommandant zuckte nur mit den Schultern.
„Einer unserer Marineflieger hat sie heute Morgen dort entdeckt. Bis jetzt war niemand hier draußen. Ihre Reederei hat eine Begehung durch unsere Beamten untersagt.“
In der verhaltenen Antwort bemerkte Leonard eine Spur Missbilligung. Es waren wohl schärfere Töne gefallen. Die drei Inseln lagen nur wenige Meilen außerhalb der indonesischen Seegrenze. SA Shipping pochte vermutlich auf ihr Hoheitsrecht. Also würden Talley und er die ersten sein, die das Schiff betraten.
„Kein Zeichen von der Mannschaft?“
Als Antwort erhielt er nur ein verneinendes Kopfschütteln.
„Du liebe Güte“, krächzte Talley, „was ist das für ein Geruch?“
Ein sachter Wind wehte eine süßliche Fäulnis über die Reling. Steile acht Meter darunter schwang sich Leonard auf das Fallreep. Talley reichte ihm einen Rucksack, in dem sie alles für die Untersuchung Notwendige verwahrten.
„Kommen Sie, Talley.“
Dem Büroleiter verdrehte es die Darmwindungen, als er an der überhängenden Bordwand hochsah. Die Missgunst besiegte seine Angst und er grapschte ungeschickt nach dem Geländer. Leonard, der unerschrocken nach oben kletterte, sandte er einen Fluch hinterher. Und er verwünschte die Besatzung des Schnellbootes, die sich kichernd über ihn lustig machte. In der Hast des Aufbruchs hatte Talley keine Zeit gefunden, geeignete Kleidung einzupacken. So hangelte er sich in seinem Bürodress die schmutzige Stiege nach oben. Schweiß durchnässte das weiße Hemd bereits jetzt bis zum Kragen.
Leonard erklomm das hintere Deck. Die Nalanda Star besaß drei vordere und zwei hintere Laderäume. Die Aufbauten mit der Kommandobrücke befanden sich mittschiffs. Rasselnd erstarben die Maschinen des Schnellbootes, eine drückende Stille trat ein. Flimmernd reflektierte der metallene Rumpf des Frachters die Mittagshitze. Für einen Moment fühlte sich Leonard, als sei er selbst der Kapitän dieses Schiffes. Der einzige Überlebende, gestrandet an einer fernen, unbekannten Küste. Ein Kratzen aus dem Innern des Schiffbauches riss ihn aus der Vorstellung. Der unangenehm süßliche Geruch wehte wieder heran.
„Helfen Sie mir mal, Herrgott!“
Talleys rot angelaufenes Gesicht tauchte über der Reling auf. Grob packte Leonard sein Handgelenk und

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