Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
ehrlich?«
Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und zog die Beine an.
»Ich erwarte jemanden«, sagte Tia. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Wen?« Nathan ärgerte sich über seinen eifersüchtigen Unterton.
»Wen ich erwarte?« Ihr Lächeln erinnerte ihn daran, wie sehr er sie gemocht hatte; eine Schwäche, die er sich nicht leisten konnte.
»Geht mich nichts an«, sagte er. »Tut mir leid.«
Sie müsste ihn eigentlich verabscheuen. Es würde die Sache für sie beide leichter machen, dachte Tia. Das Schlimmste wäre, wenn er wieder Gefühle in ihr weckte.
»Ich gebe zu, dass ich mich wie ein Feigling benommen habe.« Nathan wählte seine Worte sorgfältig, ängstlich darauf bedacht, Juliettes Namen nicht zu erwähnen und doch alles anzusprechen, was seine Frau als Preis für seine Rückkehr in sein Haus verlangte. »Ich hätte es eigentlich nicht verdient, dass du mir überhaupt zuhörst. Trotzdem müssen wir reden. Über … alles.«
Er musste seine Fragen in einer Reihenfolge vorbringen, die Tia am wenigsten aufbringen würde. Er holte tief Luft und versuchte, so normal wie möglich zu klingen. »Wie geht es dir?«
»Ich habe jemanden kennengelernt.« Sie beugte sich vor. »Ich glaube, es ist ernst. Ich habe ihm von Honor erzählt.«
»Hast du ihm auch von uns erzählt?«
»Ich habe ihm von dir erzählt. Es gibt kein ›uns‹.«
»Was hast du ihm über mich gesagt?«
Sie lehnte sich zurück. »Herrgott, was interessiert dich das? Er hat sich sowieso nur für Honor interessiert, nicht für dich.«
»Was ist er für ein Typ?«
»Ein anständiger Kerl.«
»Schön. Das freut mich für dich.« Er meinte es ehrlich. »Was sagt er dazu, dass du eine Tochter hast?«
»Er geht total gut damit um.«
Was unüberhörbar in ihren Worten mitschwang, war: Im Gegensatz zu dir . »Ich möchte sie sehen«, sagte Nathan.
»Ich glaube nicht, dass mich noch interessiert, was du möchtest«, sagte sie. So wie sie auf ihrer Unterlippe herumkaute, glaubte er ihr das nicht.
»Steht mein Name auf der Geburtsurkunde?«, fragte er.
Sie schwieg.
»Und? Steht er drauf?«
»›Lass es wegmachen, Tia‹, hast du damals zu mir gesagt. Und jetzt brauchst du mich plötzlich? Vergiss es.«
»Warum warst du dann einverstanden, dass ich herkomme?«
»Ich weiß nicht.« Sie schaute ihn mit diesem forschenden Blick an, der ihn schon damals genervt hatte, ein Blick, der fragte: Und was ist mit uns? Liebst du mich wirklich? Wirst du immer bei mir bleiben?
Er wandte den Blick nicht ab. War er nicht deswegen hier? Um genau das herauszufinden? Liebst du sie? , hatte Juliette gefragt. Liebt sie dich?
Hatte er Tia jemals geliebt? Sie war in sein Leben getreten, vierundzwanzig Jahre alt, ein Geschöpf aus einer anderen Welt, exotisch, sexy und voller Begeisterung für sein Forschungsprojekt. Er hatte nie vorgehabt, mit ihr ins Bett zu gehen. Als er es dann getan hatte, war es eine rein körperliche Begierde gewesen. Sie hatte ihn völlig verrückt gemacht. Als Tia sich in ihn verliebte, hatte er sich einzureden versucht, dass auch er in sie verliebt war und nicht nur scharf auf sie. Um seine Selbstachtung nicht ganz zu verlieren.
»Wo finde ich meine Tochter?«, fragte Nathan. »Bitte. Wie finde ich ihre Eltern?«
Geh zu ihr , hatte Juliette gesagt.
Und wie stellst du dir das vor? , hatte er sie gefragt.
Du hast es ohne mich geschafft, sie in die Welt zu setzen, du wirst es auch ohne mich schaffen, zu ihr zu gehen .
Juliette hatte von ihm verlangt, dass er seine Tochter aufsuchte, sich aber geweigert, ihm die dafür nötigen Informationen zu geben.
Nathan wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er konnte die Adresse der Leute in Erfahrung bringen. Und dann? Sollte er sie etwa aus heiterem Himmel anrufen, an der Tür klingeln und verlangen, seine Tochter zu sehen?
»Frag deine Frau«, sagte Tia.
Nathan war sich nicht sicher, was sie wirklich wollte. Sie wirkte kreuzunglücklich. Er setzte sich neben sie aufs Sofa und nahm ihre Hand. »Bitte. Lass uns keine Spielchen mehr spielen.«
Sie zog ihre Hand weg. »Du solltest jetzt besser gehen.« Sie wandte sich ab, aber er hörte, dass sie drauf und dran war, in Tränen auszubrechen.
»Tia, es tut mir leid«, sagte er und rückte näher. »Es tut mir alles so schrecklich leid.«
26. Kapitel – Caroline
Caroline drückte ihre Aktentasche zu und ließ die Schlösser einrasten. Wenn sie nach Hause kam, musste sie ungefähr zehn Fachzeitschriften lesen, einen Aktenordner voller Memos
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