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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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draußen gehen. Er möchte seinen Freunden auf dem Mond etwas mitteilen, und dazu braucht er meinen speziellen Apparat. Wir sind nicht lange fort.«
    Dann hob Lyra ihn vorsichtig auf, immer darauf bedacht, seine Sporen nicht zu berühren, und trug ihn nach draußen in die Nacht, wo ein verrostetes Stück Wellblech im kalten Wind schepperte.
    »Ihr müsst aufhören«, sagte er, nachdem sie ihn im trüben Licht einer einzelnen Glühbirne auf eine umgedrehte Öltonne gesetzt hatte. »Das reicht. Schluss jetzt.«
    »Aber wir haben eine Abmachung getroffen«, entgegnete das Mädchen.
    »Nein, nicht unter diesen Bedingungen.«
    »Also gut. Dann verlassen Sie uns. Sie und die Lady, Sie fliegen zurück. Will kann ein Fenster in Ihre Welt oder in jede andere schneiden, Sie fliegen hindurch und sind in Sicherheit. Wir haben nichts dagegen.«
    »Wisst ihr überhaupt, auf was ihr euch einlasst?«
    »Ja.«
    »Eben nicht. Du bist ein gedankenloses, leichtsinniges und verlogenes Kind mit einer so blühenden Fantasie, dass die Unaufrichtigkeit bereits deinen ganzen Charakter in Besitz genommen hat. Du lässt die Wahrheit selbst dann nicht gelten, wenn sie dir in die Augen springt. Da du sie nicht sehen willst, erkläre ich sie dir in aller Offenheit: Ihr könnt, ihr dürft nicht euren Tod in Kauf nehmen, sondern müsst mit uns zurückkommen. Ich rufe jetzt Lord Asriel an, dann sind wir binnen weniger Stunden in seiner sicheren Festung.«
    Lyra fühlte einen großen Zorn in sich hochkochen. Sie stampfte mit dem Fuß auf und konnte nicht mehr an sich halten.
    »Was wissen Sie denn schon«, rief sie, »Sie haben doch keine Ahnung, was mich in meinem Kopf und in meinem Herzen bewegt. Ich weiß nicht, ob Gallivespier Kinder bekommen. Vielleicht legen Sie Eier oder so was, das würde mich nicht wundern, denn Sie sind nicht lieb, nicht großherzig, nicht rücksichtsvoll - nicht einmal grausam. Ja, das wäre besser, wenn Sie grausam wären, da wüssten wir wenigstens, dass Sie uns ernst nehmen, dann gingen Sie nicht bloß mit uns, weil es Ihnen so gerade zupass kam ... Oh, ich kann Ihnen nicht mehr vertrauen! Sie haben versprochen, uns zu helfen und alles mit uns gemeinsam zu unternehmen, und nun wollen Sie uns zur Umkehr bewegen - wenn hier einer unaufrichtig ist, dann Sie, Tialys!«
    »Ich würde nicht einmal mein eigenes Kind in diesem unverschämten, hochmütigen Ton mit mir reden lassen, Lyra - warum habe ich dich nicht schon früher bestraft -«
    »Nur zu, strafen Sie mich! Sie können es ja. Stechen Sie ruhig zu mit Ihrem verdammten Giftstachel. Hier, meine Hand - tun Sie es! Sie haben ja keine Ahnung, wie es in meinem Herzen aussieht, Sie stolze, selbstsüchtige Kreatur. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie Leid es mir um Roger tut, wie mies und schuldig ich mich seinetwegen fühle. Sie bringen Leute um, ohne mit der Wimper zu zucken, andere sind Ihnen völlig gleichgültig - aber mir lässt es keine Ruhe, dass ich mich von meinem Freund Roger nicht verabschieden konnte, und ich möchte ihn um Verzeihung bitten und so viel gutmachen, wie ich nur kann. Aber so was verstehen Sie ja nicht - bei all Ihrem Stolz, ihrer Erwachsenenklugheit. Und wenn ich bei dem, was ich für richtig halte, sterben muss, dann will ich es auch und bin noch froh dabei. Ich habe Schlimmeres erlebt. Sie wollen mich also töten, Sie eisenharter Mann mit dem Tod bringenden Sporn, Sie Chevalier, tun Sie es doch. Dann bin ich für immer mit Roger im Land der Toten vereint, und wir können spielen und wir können über Sie lachen, Sie armseliges Geschöpf.«
    Was Tialys am liebsten getan hätte, war nicht schwer zu erraten, denn er bebte von Kopf bis Fuß vor leidenschaftlichem Zorn. Doch blieb ihm keine Zeit, seinem Zorn freien Lauf zu lassen, denn eine Stimme sprach hinter Lyras Rücken, die beiden das Blut in den Adern gefrieren ließ. Lyra wusste schon, was sie zu sehen bekommen würde, und fürchtete sich trotz ihrer zur Schau getragenen Kühnheit. Langsam drehte sie sich um.
    Der Tod stand ganz dicht hinter ihr und lächelte freundlich. Sein Gesicht sah genauso aus wie das aller anderen, nur dass dieser hier ihr Tod war. Pantalaimon, jetzt in Hermelingestalt, heulte und zitterte. Er sprang ihr auf die Schulter und versuchte, sie von dem Tod fortzudrängen. Doch damit kam er dem Tod nur noch näher, und als ihm das aufging, schreckte er zurück und schmiegte sich an Lyras warmen Hals und den starken Puls ihres Herzens.
    Lyra drückte ihn an sich und sah

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