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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sich rühren würden.
    »Hört mich an«, sagte Lyra. »Wir sind hierhergekommen, meine Freunde und ich, weil wir einen Jungen namens Roger finden müssen. Er ist noch nicht lange hier, gerade ein paar Wochen, daher wird er hier nicht viele Leute kennen, aber wenn einer von euch weiß, wo er sich aufhält ... «
    Noch während Lyra sprach, wusste sie, dass sie mit Will hier überall suchen und in jedes Gesicht schauen könnte, bis sie beide alt und grau geworden wären, ohne mehr als nur einen kleinen Bruchteil aller Toten gesehen zu haben. Verzweiflung legte sich wie eine Last auf ihre Schultern, wie wenn die Harpyie selbst dort säße.
    Doch sie biss die Zähne zusammen und versuchte den Kopf hochzuhalten. Wir sind jetzt hier, dachte sie, und das gehört eben dazu. Das Geistermädchen sagte etwas mit seiner Flüsterstimme.
    »Warum wir ihn finden wollen?«, entgegnete Will. »Lyra muss ihm unbedingt etwas sagen. Aber ich suche auch jemanden, meinen Vater, John Party. Er muss hier irgendwo sein und ich möchte mit ihm sprechen, ehe ich in die Welt zurückkehre. Also bitte fragt nach Roger und John Party und sagt, sie mögen zu Lyra und Will kommen, die mit ihnen sprechen wollen. Fragt sie auch -«
    Unvermittelt wandten sich die Geister ab und alle, auch die Erwachsenen, stoben davon wie trockenes Laub, in das der Wind stößt. Im Nu war der Raum um die Freunde leer, und gleich wussten sie auch, warum: Schreie und schrilles Gezeter erfüllten die Luft über ihnen, und dann setzten die Harpyien ihnen wieder zu mit Ekel erregendem Gestank, Flügelschlagen und krächzenden Stimmen, mit denen sie ihren ganzen Hohn und Spott über sie ausgossen.
    Lyra sank zu Boden und stopfte sich die Ohren zu. Will ging in die Hocke und schützte sie mit dem Messer in der Hand. Er sah Tialys und Salmakia heranpreschen, doch hatten sie noch ein gutes Stück Wegs vor sich. Die Harpyien kreisten über ihnen und stürzten sich dann herab. Will sah, wie sie mit ihren menschlichen Gesichtern in die Luft schnappten, als wollten sie Insekten fangen. Jetzt hörte er auch, was sie riefen: schmutzige, beleidigende Wörter, alle an seine Mutter ge richtet. Es zerriss ihm fast das Herz, doch ein Teil seines Verstands blieb auch jetzt unbeteiligt, beobachtete nur und rechnete kühl seine Chancen aus. Keine Harpyie wagte sich in die Nähe seines Messers.
    Um zu sehen was wohl passieren würde, erhob er sich. Eine Harpyie vielleicht war es Niemand - brachte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit. Sie hatte sich herabgestürzt und wollte über Wills Kopf hinweggleiten. Mit schwerfälligem Flügelschlag rettete sie sich knapp vor der Klinge. Will hätte die Hand ausstrecken und ihr mit dem Messer den Kopf abschlagen können.
    Unterdessen hatten die Gallivespier die Kinder erreicht. Beide Spione machten sich zum Angriff bereit, doch Will rief ihnen zu: »Tialys! Salmakia! Hierher!«
    Sie landeten auf seinen Schultern. »Schauen Sie nur, was die dort oben treiben. Die Ungeheuer kommen angeflogen und schreien. Ich glaube, die Harpyie hat Lyra nur aus Versehen getroffen. Die wollen uns gar nicht berühren. Wir brauchen sie nicht weiter zu beachten.«
    Lyra schaute mit großen Augen nach oben. Die Schreckgestalten kreisten um Wills Kopf, manchmal nur ein paar Handbreit über ihm, vermieden aber stets im letzten Augenblick die Berührung. Die beiden Spione auf seinen Schultern zeigten sich kampflustig. Ihre Flugtiere zitterten mit den Flügeln und warteten nur darauf, loszustürzen, wurden aber zurückgehalten. Die Gallivespier hatten erkannt, wie richtig Will mit seiner Beobachtung lag.
    Die Wirkung auf die Geister blieb nicht aus. Als sie sahen, dass Will furchtlos und unversehrt stehen geblieben war, drängten sie sich erneut um die Reisenden. Sie behielten zwar die Harpyien weiterhin im Auge, doch dem Reiz menschlicher Körperwärme und eines pulsierenden Herzschlags vermochten sie nicht zu widerstehen.
    Lyra stand auf und stellte sich neben Will. Ihre Wunde war wieder aufgeplatzt, und frisches Blut lief ihr über die Wange. Sie wischte es fort.
    »Will«, sagte sie. »Ich bin ja so froh, dass wir uns zusammen hierher getraut haben ... «
    In ihrer Stimme und ihrem Gesichtsausdruck lag etwas, das er mehr als alles andere schätzte: Sie hegte einen kühnen Plan, war aber noch nicht so weit, darüber zu sprechen.
    Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    »Hier entlang«, sagte das Geistermädchen. »Kommt mit uns - wir finden sie

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