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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Schmerzen starrte Mrs. Coulter hinunter. Männer wimmelten durcheinander wie Ameisen, einige la gen tot am Boden, andere krochen mit verrenkten Gliedmaßen über die Steine. Nur das dicke Kabel schlängelte sich unbeeindruckt von dem Chaos am Kraftwerk zu der glitzernden Bombe. Dort lag im Käfig zusammengesunken die Leiche des Vorsitzenden.
    »Lord Roke?«, fragte Lord Asriel.
    »Tot«, flüsterte Mrs. Coulter.
    Lord Asriel drückte auf einen Knopf und ein Flammenstrahl schoss auf den unruhig an seinen Tauen zerrenden Zeppelin zu. Im nächsten Augenblick erblühte das Luftschiff zu einem weißen Feuerball, der auch den Intentionsgleiter ein hüllte, der reglos und unversehrt in seiner Mitte hing. Ruhig steuerte Lord Asriel das Fahrzeug aus der Gefahrenzone, und sie beobachteten, wie der brennende Zeppelin ganz langsam nach unten sank und alles bedeckte, Bombe, Kabel und Soldaten, und wie alles, das ganze flammende und rauchende Inferno, immer schneller den Hang hinunterrutschte, die harzigen Kiefern in Brand setzte und zuletzt in den schäumenden Massen des Wasserfalls und in der Nacht verschwand.
    Wieder betätigte Lord Asriel einige Hebel, und der Intentionsgleiter beschleunigte und nahm Kurs nach Norden. Doch Mrs. Coulter konnte sich nicht von dem Anblick unter ihr losreißen. Mit tränenden Augen starrte sie zu dem Feuer zurück, bis es nur noch ein senkrechter, orangefarbener Strich im Dunkeln war, eingehüllt in Rauch und Dampf. Dann war nichts mehr zu sehen.

Der Abgrund
     
     

    Allumfassende Dunkelheit lastete so schwer auf Lyras Augen, dass sie meinte, die Tausende Tonnen Gestein über ihr spüren zu können. Nur der leuchtende Schwanz der Libelle von Lady Salmakia verbreitete ein wenig Licht und auch das wurde schwächer, denn die armen Insekten hatten im Land der Toten kein Futter gefunden. Die Libelle des Chevaliers war vor kurzem eingegangen.
    Tialys hatte sich auf Wills Schulter gesetzt, und Lyra hielt Salmakias Libelle auf der flachen Hand, während die Lady dem zitternden Geschöpf sanft zusprach und es erst mit Kekskrümeln fütterte und ihm dann ihr Blut zu trinken gab. Wenn Lyra gesehen hätte, was die Spionin da tat, hätte sie ihr eigenes Blut angeboten, denn davon besaß sie mehr; doch das Mädchen musste sich darauf konzentrieren, einen Fuß sicher vor den anderen zu setzen und nicht mit dem Kopf an herabhängende Felsen zu stoßen.
    Die Harpyie Niemand hatte die Kinder in ein Labyrinth von unterirdischen Gängen und Höhlen geführt, das, wie sie behauptete, zu einer Stelle führte, wo Will ein Fenster in eine andere Welt schneiden könnte. Hinter ihnen folgte die endlose Kolonne der Geister. Die Gänge waren von ihrem Geflüster erfüllt: Die Vordersten sprachen den Folgenden Mut zu, die Tapferen munterten die Verzagten auf und die Alten gaben den Jungen Hoffnung.
    »Ist es noch sehr weit, Niemand?«, fragte Lyra. »Die arme Libelle stirbt bald, und mit ihr würde das letzte bisschen Licht erlöschen.« Die Harpyie blieb stehen.
    »Folge mir einfach«, sagte sie zu Lyra. »Wenn du nichts mehr siehst, dann horche. Wenn du nichts mehr hörst, taste dich weiter.«
    Ihre Augen glommen in der Finsternis. Lyra nickte. »Ja, ich werde mich bemühen«, sagte sie, »aber ich bin schwächer als sonst, und auch nicht besonders mutig. Bleib nicht stehen, ich folge dir schon. Wir alle folgen dir. Geh nur weiter.«
    Die Harpyie wandte sich wieder nach vorn und ging weiter. Das Leuchten der Libelle wurde von Minute zu Minute schwächer. Bald würde es ganz verlöschen.
    Während sich Lyra weiterschleppte, sprach plötzlich eine Stimme neben ihr - eine vertraute Stimme.
    »Lyra - Lyra, Mädchen ... «
    Freudig drehte sie sich um.
    »Mr. Scoresby! Das ist aber eine Überraschung! Ja, Sie sind es wirklich - ich erkenne Sie - oh, wenn ich Ihnen doch die Hand geben könnte!«
    Im schwachen Dämmerlicht erkannte sie die hagere Gestalt und das spöttische Lächeln des texanischen Ballonfliegens. Unwillkürlich streckte sie ihm die Hand entgegen - vergeblich.
    »Das täte ich auch gern, mein Schatz. Aber hör mir zu. Da draußen braut sich was zusammen und das ist gegen dich gerichtet - frag mich nicht, wie. Ist das der Junge mit dem Messer?«
    Will hatte ihn die ganze Zeit über angeschaut, denn er wollte Lyras alten Gefährten gern kennen lernen. Nun ging sein Blick aber an Lee vorbei und richtete sich auf den Geist neben ihm. Lyra sah sofort, wer es war, und staunte über Wills erwachsenes Ebenbild - das

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