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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wer ist das dann?«
    Humbert legte den Finger an die Lippen. Wie gebannt starrte er weiter auf die kleine Gruppe nahe bei der Tür. Lina stellte sich auf die Zehenspitzen, doch das half nichts. Helmbrecht – oder derjenige, den Humbert für Helmbrecht hielt – war nicht größer als der Wirt, so dass sein Antlitz von dessen breitem Rücken verdeckt wurde. Von der Frau an seiner Seite war nicht viel mehr zu sehen. Lediglich das Wippen eines modischen Spitzhuts bezeugte ihre Anwesenheit und verriet, dass sie für eine Frau groß gewachsen war.
    »Von wegen Gerede von der Witwe Gerke! Die da wird der Grund dafür sein, dass er nicht mehr in die Langgasse kommt«, flüsterte Lina.
    »Was?«
    »Vergiss es«, wiegelte sie ab und beschloss, sich einen besseren Beobachtungsposten zu besorgen. So unauffällig wie möglich schob sie sich an der Wand entlang zum hintersten Tisch im Gastraum und ließ sich mit einem entschuldigenden Lächeln um die Lippen auf dem Ende der Bank nieder. Kurz nur hoben die dort sitzenden Männer den Blick, dann versenkten sie sich wieder in ihr Gespräch, die Köpfe dicht über den großen Bierkrügen. In einer eleganten Bewegung glitt Lina das Tuch von den Schultern. Sie wusste sich so zu bewegen, dass der Mann gleich neben ihr auf der Bank einen raschen Blick in den Ausschnitt ihres Mieders werfen konnte, bevor sie sich rekelte und dabei wie zufällig mehrmals gegen ihn stieß. Die erhoffte Wirkung blieb nicht aus. Als sie das Gesäß noch ein wenig mehr auf die Bank schob und dabei seinen Oberschenkel berührte, rückte er nicht weiter ab, sondern rutschte eher näher auf sie zu. Gleichzeitig wandte er den Oberkörper halb um, legte ihr den Arm wie zufällig um die Hüften. Sie ließ ihn gewähren.
    »Was führt dich her? So ein hübsches Fräulein wie du sollte auch am Sonntagnachmittag nicht allein ein Wirtshaus betreten, nicht einmal ein so ordentliches wie den Grafenkrug.«
    »Ihr habt recht, doch was will ich tun?« Scheu erwiderte sie seinen Blick. »Der eisige Wind hat mich derart frieren lassen, dass ich meinen Bruder gebeten habe, mir eine kurze Einkehr zu erlauben. Ich bin also nicht gänzlich ohne Schutz.«
    »Ihr seid in Begleitung Eures Bruders?« Sofort nahm er die Hand von ihrer Hüfte und sah sich suchend um.
    »Dort hinten an der Wand«, half sie ihm.
    »Sonderlich gut aufpassen tut er aber nicht auf dich.« Steutners Anblick musste den Mann beruhigt haben. Der Schreiber presste sich weiterhin gegen die Wand, ängstlich darauf bedacht, nicht von Helmbrecht entdeckt zu werden. Auf Lina schien er nicht sonderlich zu achten, was den Mann sogleich wieder in die vertraute Anrede zurückfallen und sein Werben um sie fortsetzen ließ.
    »Eigentlich wollte er mir gerade beim Wirt einen heißen Würzwein bestellen«, verteidigte Lina ihn. »Dann aber sind diese Herrschaften da vorn eingetreten. Jetzt kümmert sich niemand mehr um uns. Das müssen wohl sehr angesehene Leute sein, wenn der Wirt alle anderen dafür stehenlässt. Darüber wisst Ihr sicher besser Bescheid.«
    »Ach, die zwei da vorn«, der Mann fühlte sich sichtlich geschmeichelt, »das ist nur ein Kaufmann aus dem Kneiphof. Hier in der Vorstadt kann er ungestört sein Liebchen treffen.« Frech grinste er sie an. »In der Hinsicht sind die Herrschaften auch nicht besser als unsereins, was?«
    Seine Pranke landete auf ihrem Oberschenkel und begann, sich langsam darauf emporzuarbeiten. Sein Atem wurde keuchender, die Augen quollen gierig aus ihren Höhlen hervor.
    »Sein Liebchen? Sie sieht aber eher wie eine richtige Dame aus.« Lina wehrte sich nicht gegen die Anzüglichkeiten. Inzwischen hatte sie endlich einen Blick auf die beiden erhascht. Noch immer beschwatzte der Wirt Helmbrecht und seine auffallend blonde, ganz in vornehmes Blau gekleidete Begleiterin.
    »Die, die es am dicksten hinter den Ohren haben, sehen am liebsten wie richtige Damen aus. Deshalb mag ich so unschuldige Mädchen wie dich, mein Schatz. Nie würden euch solche Schliche in den Sinn kommen, was?« Unter dröhnendem Lachen zwickte er ihr in die Wange.
    »Lass gut sein mit deinen Flunkereien, Frieder«, mischte sich sein Gegenüber ein. »Du weißt, dass der gute Helmbrecht nie und nimmer eine Hure trifft, schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Die Dame dort drüben, mein Kind, ist wirklich eine ehrenwerte Frau, das hast du richtig erkannt«, wandte er sich direkt an Lina. »Sie kommt aus Brügge und handelt mit feinen Stoffen. An der Börse im

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