Das Bernsteinerbe
Lächeln ab.
»Umso weniger verstehe ich, warum Ihr Euch Lina als Magd ins Haus genommen habt. Wisst Ihr nicht, was das für eine ist?«
Magdalenas Kopfschmerzen meldeten sich zurück. »Lina ist fleißig und packt kräftig mit an, ganz gleich, um welche Arbeit es sich handelt. Zudem ist sie sauber und ehrlich. Was will man mehr von einer Magd? Aber das wisst Ihr doch selbst am besten. Dass sie seinerzeit bei Euch in Dienst gestanden hat, war übrigens ein guter Grund für mich, sie aufzunehmen. Mich wundert nur, warum Ihr selbst sie nicht wieder habt bei Euch arbeiten lassen.«
»Das liegt wohl auf der Hand«, knurrte die Wirtin. »Wollen wir hoffen, Euch geht es besser mit dem Weibsbild als mir. Zumindest solltet Ihr sie von Euren Kontoristen fernhalten.«
Magdalena nickte brav. Die Wirtin wedelte einmal noch geschäftig mit dem Tuch durch die Luft und stapfte von dannen.
»Was widerstrebt Euch eigentlich am morgendlichen Imbiss im Grünen Baum?« Marietta griff nach einem goldgelben Käsestück auf dem Tisch und sah interessiert zu Magdalena. Geschickt schnitt sie eine fingerdicke Scheibe von dem Käse ab. Der würzige Geruch verbreitete sich über dem gesamten Tisch. Mit genießerischem Gesichtsausdruck biss sie in die Scheibe und sprach beim Kauen weiter. »Eure Zunftgenossen scheinen ihn hingegen sehr zu genießen.«
»Das stimmt«, warf Magdalena ein. »Eigentlich ist es töricht von mir, mich nicht schon längst mehr auf die Gepflogenheiten der hiesigen Kaufmannschaft eingelassen zu haben. Wie es der Zufall will, ist mir das gerade heute Vormittag aufgefallen. Deshalb habe ich auch beschlossen, erst einmal hier hereinzuschauen, bevor ich zur Börse gehe.«
Ihr Blick wanderte durch den Gastraum. Die Tische waren gut besetzt. Außer den Zunftgenossen aus dem Kneiphof fanden sich viele Altstädter und auch einige Löbenichter Kaufleute. Fremde waren in dieser unwirtlichen Jahreszeit eher selten in der Gegend unterwegs. Das eine oder andere Gesicht meinte Magdalena zwar mit Handelshäusern aus Danzig oder Riga in Verbindung zu bringen, vermochte es jedoch nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Zu ihrer Beruhigung schenkte ihr niemand besondere Beachtung. Was immer draußen in der Langgasse die Menschen bewegt haben mochte, sich ihr gegenüber eigenartig aufzuführen, hier im Wirtshaus schien es vergessen. Sie atmete auf und beschloss, sich endlich der Einladung zum Imbiss zu erinnern. Ihre Kopfschmerzen waren auf einmal wie weggeblasen. Mit großem Appetit folgte sie Mariettas Beispiel und griff bei Schinken, Käse und dem röschen Brot kräftig zu. Selbst das getrocknete Obst schmeckte, obwohl es noch nicht lange gelagert war. Durstig trank sie von dem Bier.
»Ihr seid mir übrigens noch eine Erklärung schuldig«, nutzte sie schließlich die Gelegenheit, auf den eigentlichen Anlass ihres vormittäglichen Ausflugs zurückzukommen. Kaum merklich runzelte Marietta die Stirn, vergaß einen Moment, weiter auf dem Speck herumzukauen.
»Ihr habt mir immer noch nicht verraten, was Euch im November tatsächlich hierher an den Pregel führt«, hakte Magdalena nach. »Noch dazu in einem Jahr wie diesem, da der Kurfürst und die Stände es dem schlechten Wetter gleichtun und ebenfalls für stürmische Zeiten sorgen. Der Wunsch, in einigen Kontoren vorzusprechen, und das Interesse für meine Bernsteinessenz sind doch nicht die eigentlichen Gründe. Das könntet Ihr alles zu angenehmeren Reisezeiten erledigen.«
»Da muss ich Euch zustimmen.« Marietta lachte hell auf. Helmbrecht spannte sich an, was die neuerliche Röte auf seinen vernarbten Wangen deutlich verriet. Neugierig musterte Magdalena die Blonde. »Natürlich hätte ich das alles ebenso gut im Frühjahr erledigen können«, lenkte Marietta ein. »Doch in diesem Herbst steckt wahrlich der Wurm. Wie Ihr richtig vermutet, wollte ich längst wieder in meinem Haus in Brügge sein. Dann aber sind mir Friedrich Wilhelms Truppen in die Quere gekommen und haben meine Weiterreise unmöglich gemacht. Deshalb bin ich in Eurer wunderschönen Stadt am Pregel gestrandet. Nie zuvor war ich hier, was in der Tat eine kaum zu verzeihende Sünde ist. All das, was man andernorts über Königsberg, seinen Reichtum und die Gelegenheit, Geschäfte abzuschließen, hört, trifft mit jeder Silbe zu. Wie es der Zufall will, bin ich hier im Grünen Baum mit Philipp Helmbrecht gleich auf ein bekanntes Gesicht gestoßen. Das hat es mir erleichtert, als fremde Kauffrau Zugang zu den
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