Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Wochen zu verstehen war: als Liebesbeweis! Eine heiße Welle brandete durch ihren Körper. Wenn sie den Bernstein noch hätte, hätte sie ihn geküsst. So aber schickte sie nur einen wundervollen Gedanken in die Ferne, bat den Liebsten um Nachsicht für ihr langes Blindsein. Nur weil er sie so inständig liebte, hatte Christoph das alles getan, hatte Mathias bedroht und den Bernstein ins Feuer geworfen. Beglückt über die Erkenntnis, die sie ausgerechnet jetzt, nach den Ausführungen Tromnaus über die Königsberger, überfiel, lächelte sie den Löbenichter beglückt an.
    »Fast könnte man meinen, Ihr wärt angetreten, die Richtigkeit seiner Worte zu beweisen«, fuhr sie fort. »Denn ganz gleich, ob es sich um Kneiphofer, Altstädter oder Löbenichter handelt: Sie alle verstehen sich bestens darauf, scharf mit Worten zu schießen. Scharf mit Waffen zu schießen dagegen überlassen sie lieber anderen. Das habt Ihr uns gerade wieder eindrücklich gezeigt. Vor dem Kurfürsten habt Ihr nur deshalb klein beigegeben, weil Ihr angesichts der Gefahr von außen nicht eines Tages selbst zu den Waffen greifen wollt.«
    Auf ihre Bemerkung erntete sie einige Atemzüge lang betretenes Schweigen. Zunächst leise, dann aber stetig lauter werdend, begann Tromnau zu lachen. Verwundert starrte Hohoff ihn an, bis er dem Beispiel seines Zunftgenossen folgte und ebenfalls in Lachen ausbrach. Alsbald wieherte und kicherte es auch an den übrigen Tischen. Vergnügt klopften sich die einen die Schenkel, während sich die anderen die feuchten Augenwinkel wischten und einander lebhaft zutranken.
    »Das habt Ihr trefflich erkannt!« Tromnaus brummige Stimme übertönte das Gelächter. »Fürwahr schießen wir am Pregel lieber scharf mit Worten als mit Waffen, meine Teuerste. Aber das wisst Ihr selbst wohl am besten. Wenn ich Euch so reden höre, weiß ich sofort: Trotz Eurer Kindheit im kaiserlichen Tross fern vom Frischen Haff könnt Ihr nur ein echtes Gewächs aus dem Kneiphof sein! So hervorragend, wie Ihr diese Taktik beherrscht, im rechten Augenblick mit Worten auf Eure Gegner zu schießen, kann einfach niemand daran zweifeln.«
    Carlotta wollte diese Feststellung ebenfalls mit einem Lachen nehmen, da schaltete sich Hohoff mit einem bösen Grinsen um den eben noch töricht aufgerissenen Mund ein: »Obacht ist trotzdem angesagt. Vergesst nicht, wie eng sich unser Fräulein an diesen kurfürstlichen Offizier hält, obwohl die Kneiphofer derzeit nichts so sehr verachten wie die Blauröcke Friedrich Wilhelms. Wer weiß, was sie wirklich im Schilde führt? Ein Blaurock jedenfalls schießt immer scharf, nicht wahr, mein bestes Fräulein?«
    Sie spürte, wie ihr Gesicht glutrot anlief. Um sie herum war es gefährlich still geworden. Rechts neben ihr schnappte die Mutter empört nach Luft, Thiesler zu ihrer Linken scharrte mit den Füßen über den Holzboden, als gelte es, die Waffen zu wetzen. Auch Tromnau hatte es die Sprache verschlagen. Sein dunkelbärtiges Gesicht wirkte verstört. Einzig Hohoff weidete sich daran, wie treffsicher seine Worte eingeschlagen hatten.
    »Ich glaube, ich brauche frische Luft«, presste Carlotta mühsam zwischen den Lippen hervor.
    2
    W ütend stapfte Carlotta von dem Krug aus los, einfach stur geradeaus. Die Lischke Brandenburg duckte sich im Schatten der trutzigen Burg. Eine nicht minder wehrbereite Kirche überragte mit einem kürzlich vollendeten hohen Turm die niedrigen Häuser entlang des Flüsschens Frisching. Das Gasthaus befand sich unweit des Burgtors. Nur eine Handvoll Gebäude aus Stein säumten die vom Schnee aufgeweichte Straße. Bald schon reihten sich niedrige Häuser aus Lehm aneinander, im Süden und Westen umgeben von hölzernen Palisaden. Zum Frischen Haff lief die Siedlung in einen steilen Abhang aus. An dessen Rand verharrte Carlotta und schaute in die Ferne. Die in diesem Jahr unerwartet früh hereingebrochene Kälte hatte für die erste Eisdecke auf dem Wasser gesorgt. Am Ufer testete ein dickvermummter Mann mit Angelrute, ob er sich bereits hinaufwagen konnte.
    »Vielleicht sollte man zur See fahren. Da draußen auf dem Wasser wird es einem wenigstens nie zu eng.«
    Plötzlich stand Thiesler neben ihr. Sie schreckte zusammen. Ein grobgestrickter Schal bedeckte fast sein gesamtes Gesicht, die Wolldecke um seine Schultern kaschierte seine Gestalt. Lediglich die markante Nasenspitze leuchtete rot aus den vielen Lagen des Wollschals auf.
    »Bevor Ihr ins Boot steigt, solltet Ihr allerdings

Weitere Kostenlose Bücher