Das Bild
durchschlafen. Er brauchte allen Schlaf, den er kriegen konnte, denn morgen würde ein anstrengender Tag werden.
Auf dem Weg zurück machte Norman noch zwei Besuche. Den
ersten in einem Orthopädiegeschäft. Hier kaufte Norman einen
nichtmotorisierten Rollstuhl aus zweiter Hand, den er zusammengeklappt im Kofferraum des Tempo unterbrachte. Dann ging er ins
Frauenkulturzentrum und Museum. Er bezahlte sechs Dollar Eintritt, würdigte die Ausstellungsstücke aber keines Blickes und
beachtete das Auditorium gar nicht, wo eine Podiumsdiskussion
über natürliche Geburt stattfand. Er besuchte rasch den Andenkenstand, dann ging er wieder.
Im Whitestone begab er sich aufsein Zimmer, ohne jemand nach
Blondie mit dem süßen kleinen Arsch zu fragen. In seinem momentanen Zustand hätte er sich nicht zugetraut, jemand nach einem
Glas Mineralwasser zu fragen. Sein frisch rasierter Schädel hämmerte wie ein Amboß aus Stahl, seine Augen pulsierten in den
Höhlen, seine Zähne taten weh und sein Kiefer schmerzte. Am
schlimmsten war, daß sein Verstand ein Stück über ihm zu schweben schien, wie ein Luftballon bei der Parade von Macy’s an
Thanksgiving; es schien, als wäre er nur an einem dünnen Faden
mit dem Rest von Normans Körper verbunden und könnte jeden
Moment davonfliegen. Er mußte sich hinlegen. Mußte schlafen.
Vielleicht würde sein Verstand dann in den Kopf zurückkehren,
wohin er gehörte. Was Blondie anging, wäre er wahrscheinlich am
besten beraten, wenn er sie als As im Ärmel betrachtete, auf das er
nur zurückgriff, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Im Notfall
Scheibe einschlagen.
Norman legte sich am Freitag nachmittag um vier Uhr ins Bett.
Das Pochen hinter seinen Schläfen hatte nichts mehr mit einem
Kater Vergleichbares an sich; es war zu Kopfschmerzen angewachsen, die er als seine »Speziellen« bezeichnete. Er bekam sie manchmal, wenn er hart arbeitete, und seit Rose ihn verlassen hatte und
sein großer Drogenfall in die heiße Phase getreten war, waren zwei
pro Woche keine Ausnahme. Als er im Bett lag und zur Decke sah,
tränten seine Augen, seine Nase lief, und er konnte komische bunte
Zickzackmuster um die Ränder aller Gegenstände pulsieren sehen.
Die Schmerzen hatten ein Stadium erreicht, wo er sich fühlte, als
hätte er einen schrecklichen Fötus im Kopf, dessen Geburt unmittelbar bevorstand; ein Stadium, wo er sich nur noch flach hinlegen
konnte und daraufwarten mußte, daß sie vorübergingen, und das
schaffte er am besten, wenn er jeden Augenblick für sich nahm und
von einem zum anderen ging wie jemand, der auf Steinen hüpfend
einen Bach überquerte. Das löste eine verschwommene Erinnerung
tief in seinem Gedächtnis aus, aber Norman kam nicht an dem
unbarmherzigen Pochen vorbei, daher ließ er es dabei bewenden. Er
rieb sich mit der Hand über den Kopf. Die Glätte da oben schien
nicht zu ihm zu gehören; es war, als würde er die Haube eines frisch
gewachsten Autos berühren.
»Wer bin ich?« fragte er das leere Zimmer. »Wer bin ich?
Warum bin ich hier? Was mache ich? Wer bin ich?«
Bevor er eine dieser Fragen beantworten konnte, schlief er ein.
Die Schmerzen verfolgten ihn eine ganze Strecke in die traumlose
Tiefe hinein, folgten ihm wie ein schlimmer Einfäll, der einen nicht
mehr losläßt, aber schließlich ließ Norman sie hinter sich. Sein Kopf
sackte auf dem Kissen zur Seite, und eine Nässe, die nicht exakt
Tränen war, lief ihm aus dem linken Auge und dem linken Nasenloch und rann seine Wange hinab. Er fing laut an zu schnarchen.
Als er zwölf Stunden später aufwachte, Samstag morgen um
vier Uhr, waren seine Kopfschmerzen wie weggeblasen. Er fühlte
sich frisch und voller Energie, wie meistens nach seinen »Speziellen«. Er setzte sich auf, stellte die Füße auf den Boden und sah zum
Fenster hinaus in die Dunkelheit. Die Tauben saßen da draußen auf
dem Sims und gurrten sogar im Schlaf. Er war vollkommen und
unerschütterlich davon überzeugt, daß dieser Tag das Ende der
ganzen Angelegenheit bringen würde. Wahrscheinlich auch sein Ende, aber das war nebensächlich. Allein durch das Wissen, daß er
keine Kopfschmerzen mehr haben würde, nie mehr, schien es akzeptabel zu sein.
Auf der anderen Seite des Zimmers hing seine neue Motorradjacke über einem Stuhl wie ein schwarzer Geist ohne Kopf.
Wach früh auf, Rose, dachte er fast zärtlich. Wach früh auf,
Honigkuchen, und bewundere den Sonnenaufgang, ja? Du
solltest dir wirklich die beste Aussicht dafür suchen, denn
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