Das Bildnis der Novizin
Soße aus gelben Zwiebeln und den letzten Steckrüben aus dem Garten zu. Dann aßen sie ihr köstliches Mahl, saßen vor dem Kamin, in dem, dank des frisch gekauften Holzes, ein munteres Feuer brannte. Dies war das erste Mal seit Beginn der Fastenzeit, dass frisches Fleisch auf den Tisch kam.
»Deine mühevolle Arbeit hat sich ausgezahlt«, sagte Lucrezia und lächelte dem Maler über ihren Teller hinweg zu.
Fra Filippo nickte mit einem schlechten Gewissen. Still bat er die Heilige Jungfrau um Verzeihung dafür, dass er Lucrezia die Wahrheit verschwieg. Er hatte ihr nichts von dem neuen Auftrag der Bankiersgilde erzählt, weil er wusste, dass sie sich ohnehin bloß Sorgen machen würde; sie fand, er arbeite jetzt schon zu viel.
Eine Ader pulste in ihrem zarten Hals und er betrachtete sie sehnsüchtig. Er musste an das erste Mal denken, als er die cremige Haut ihres Halses geküsst, ihre festen runden Brüste mit den kleinen harten Brustwarzen gestreichelt hatte.
»Die Fastenzeit ist beinahe vorbei«, bemerkte er vielsagend, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und nahm einen Schluck Wein. »Wir sind enthaltsam geblieben, so wie du es wolltest.«
Lucrezia senkte errötend den Kopf.
»Wir müssen sehr vorsichtig sein, Filippo. Das Baby …«
Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. Dann ging er zu ihr, beugte sich vor und berührte mit den Fingerspitzen ihre pochende Halsschlagader. Er hauchte einen Kuss auf die Stelle, an der ihre Haut unter dem Saum ihres Kleids verschwand.
»Immer«, murmelte er, den Kamilleduft ihres Haars einatmend, »immer.«
21. Kapitel
In der Heiligen Woche, im Jahre des Herrn 1457
Ü berall in den Straßen von Prato schmückten die Gläubigen ihre Marienstatuen, die in Nischen in Häuserecken und -fronten standen, mit weißen Blumen. Weiße Tuchbahnen wurden gewaschen, um damit Türstöcke zu verhängen. Das Osterfest stand vor der Tür. Abends wurden auf den Plätzen der Stadt Passionsspiele aufgeführt, und der schmalgesichtige Schuster war in diesem Jahr auserwählt worden, den Jesus Christus zu spielen. Das Kreuz, das er zu tragen hatte, war wie jedes Jahr von der Schreinergilde gespendet worden. Die Straßen, die zum Kathedralenplatz führten, verwandelten sich in den Kreuzweg Jesu Christi, und der kleine Hügel außerhalb der Stadt, hinter dem die Schafweiden begannen, gab trotz des bereits spärlich sprießenden Grases ein angemessen gruseliges Golgatha ab.
Wie an jedem Gründonnerstag, seit sie alt genug dafür war, besuchte Lucrezia die heilige Messe. Sie hatte sich, seit ihre Schwangerschaft für alle Augen offenbar geworden war, kaum mehr aus der Werkstatt getraut. Doch den Gottesdienst vor dem Osterfest wollte sie auf keinen Fall versäumen. Das Gesicht unter einer weiten Kapuze verborgen, machte sie sich auf den mühsamen Weg zur Heiliggeistkirche und mischte sich unter die anderen Gläubigen. Als ein Platz am Altar frei wurde, kniete Lucrezia nieder und begann mit ihren Ave-Marias. Sie war sich ihres schweren Bauches nur allzu bewusst und beugte den Oberkörper schützend weit vor. Als sie fertig war, richtete sie sich langsam auf, ihre Hände in den unteren Rücken gestützt. Ins Gebet versunken, stieß sie fast mit einer Frau zusammen, die ihr entgegenkam. Es war Schwester Bernadetta aus dem Kloster.
»Schwester Lucrezia!«, rief sie überrascht. Ihr Blick richtete sich auf Lucrezias runden Bauch. »Ich habe für dich gebetet«, murmelte sie und senkte die Augen.
Lucrezia wurde rot, freute sich aber dennoch sehr, die Nonne zu sehen.
»Was machst du hier?«, fragte sie.
»Ich komme gerade mit Schwester Simona aus dem Krankenhaus. Wir sind nur kurz hereingekommen, um ein Gebet zu sprechen«, antwortete die Nonne sanft.
»Schwester, bitte sag mir, wie es Spinetta geht. Sie hat mir nicht mehr geschrieben.«
»Oh, es geht ihr gut.« Die Nonne zögerte. »Deine Schwester hat ein Schweigegelübde abgelegt und spricht nur noch im Gebet.« Sie bemerkte Lucrezias Verwirrung und fügte hinzu: »Sie hat gelobt, bis zur ewigen Profess zu schweigen.«
Die liebevolle Anteilnahme im Blick der jungen Nonne trieb Lucrezia Tränen in die Augen. Sie war in letzter Zeit sehr einsam gewesen und konnte es nicht ertragen, dass die Schwestern im Kloster schlecht von ihr dachten.
»Schau, Schwester Bernadetta.« Sie zeigte ihre linke Hand mit dem Ehering vor.
»Ach, du bist verheiratet?«, fragte Schwester Bernadetta und drückte freudig Lucrezias Hand. Lucrezia
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