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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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vom Heiligen Gürtel, Beschützerin von Frauen und Kindern, unzufrieden ist mit dem, was hier in Prato vorgeht?« Sie richtete ihren Blick auf den Generalabt, dann auf den Propst. »Der Gürtel ist nicht hier. Ich schlage vor, Ihr geht in Euch und erforscht Euer Gewissen, um herauszufinden, was die Muttergottes dermaßen erzürnt haben könnte.«
    Nun, da sie alles gesagt hatte, was sie sagen wollte, trat Schwester Pureza zurück, den Blick nach wie vor fest auf den Propst gerichtet. Die Pferde stampften, die Schweine wühlten grunzend im Schlamm und über ihnen kreisten die Falken.
    Der Generalabt gab sich einen Ruck und ging auf die Äbtissin zu. Ein scharfer Uringeruch stieg ihm in die Nase.
    »Wir kommen wieder, Mutter Oberin«, sagte er barsch. »Und Ihr solltet besser darauf achten, wie Eure Anbefohlenen mit mir reden.«
    Als sie die Via Santa Margherita entlangtrabten, hielt der Propst, krank vor Angst und Sorge, plötzlich sein Pferd neben dem Rappen des Generalabts an.
    »Und wenn die Alte nun recht hat?«
    »Seid kein Narr.« Saviano schüttelte den Kopf, ohne den Propst anzusehen.
    »Aber was sie sagt, lässt sich nicht so einfach vom Tisch fegen! Ich bin schon viele Male Zeuge der Kraft der Reliquie geworden. Ich habe gesehen, wie der Heilige Gürtel ein Kind von der Lepra heilte, wie er die Blutungen einer Mutter stillte, die bereits drei Söhne verloren hatte, worauf sie zwei Monate, nachdem sie den Heiligen Gürtel berührte, gesunden Zwillingen das Leben schenkte! Ich kann nicht ignorieren, was Schwester Pureza gesagt hat.«
    Savianos Gedanken überschlugen sich. Er war sicher, dass die Alte irgendetwas getan hatte, um Inghirami eine Heidenangst einzujagen. Aber falls nicht? Wenn nun die Jungfrau Maria tatsächlich selbst den Gürtel an sich genommen hatte? Er war in Florenz einmal Zeuge geworden, wie die Muttergottes ein Kind vom Abgrund des Todes zurückgeholt hatte, wie sie einen alten Mann heilte, der vom Teufel besessen war. Die Macht des Heiligen Gürtels war im ganzen Land bekannt. Es war bekannt, dass er die adelige Josefina da Liccio di Verona nach einem Besuch der Feier in Prato von der Unfruchtbarkeit geheilt hatte.
    »Das Fest findet in drei Tagen statt«, sagte Inghirami, als der Glockenturm des Doms in Sichtweite kam. »Wenn der Heilige Gürtel am Morgen des Festes nicht wieder da ist, haben wir am Abend die Soldaten der Kurie am Hals, so viel ist sicher.«
    Auf dem Domplatz angelangt, zügelte der Generalabt seinen Rappen. Die Falken, die über den Feldern des Hügellandes gekreist hatten, schienen ihnen gefolgt zu sein. Ein Schwarm Mücken umschwirrte sie wie eine braune Wolke, und die Händler und Kaufleute machten einen großen Bogen um sie. Der Generalabt wedelte ungehalten mit der Hand, um die Insekten zu verscheuchen.
    »Zur Hölle mit der Alten!«, rief er und sein Pferd warf erschrocken den Kopf hoch. »Die kann uns doch nicht vorschreiben, was wir zu tun haben.«
    »Mit allem Respekt, Monsignore, aber die Macht der Muttergottes übersteigt alles Irdische.« Der Propst zerschlug eine Mücke auf seiner Wange. »Wenn Ihr nun an der Himmelspforte steht und feststellen müsst, dass die Heilige Muttergottes böse auf Euch ist?«
    Beide Männer erschauderten. Dann nickten sie einander wortlos zu.
    Lucrezia saß aufrecht im Bett, als Schwester Pureza ins Krankenzimmer trat. Die Wangen der Alten waren gerötet, ihre Augen glänzten.
    »Rosina hat mir erzählt, dass der Generalabt hier ist«, sagte die junge Frau ängstlich. »Ist das wahr?«
    »Er ist schon wieder weg. Keine Sorge, meine Liebe, er wird nicht in deine Nähe kommen.« Schwester Pureza straffte ihre gebeugten Schultern. »Er ist gekommen, weil der Heilige Gürtel verschwunden ist.«
    »Gestohlen?«, keuchte Lucrezia. »Aber wer würde so etwas tun?«
    »Nicht gestohlen.« Schwester Pureza ergriff Lucrezias Hand. »Ich glaube, das ist das Wunder, auf das wir gehofft haben«, flüsterte sie. »Die Jungfrau hat dein Leid gesehen, hat deine Gebete gehört. Und ich glaube, das ist ihre Antwort.«
    Lucrezias Augen brannten. Sanft entzog sie Schwester Pureza die Hand und schlug die Decke zurück. Ohne auf die Schmerzen zwischen ihren Schenkeln zu achten, schwang sie die Beine aus dem Bett und kniete auf dem harten Boden nieder. Sie machte ein Kreuzzeichen und begann zu beten. Draußen, beim Brunnen des Kapitelhausgartens, hörten Schwester Bernadetta und Schwester Maria ihre Worte durch die offene Tür der

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