Das Bildnis der Novizin
zurückgegeben.
»Danke, danke, Heilige Maria, Muttergottes, ich danke dir!«
Aber Schwester Pureza war nicht so leicht zufriedenzustellen. Sie verriegelte das Tor und streckte dann die Hände nach dem Kind aus.
»Was ist?« Lucrezias Stimme nahm einen hohen, panischen Klang an. »Du kannst ihn nicht haben, Schwester Pureza. Er gehört mir. Die Jungfrau hat ihn mir zurückgegeben!«
»Psst, ist ja gut, Lucrezia! Ich will ihn mir ja nur kurz ansehen. Ich will sicher sein, dass es auch wirklich dein Sohn ist.«
»Natürlich ist es mein Sohn! Die Jungfrau hat ihn mir zurückgegeben! Ein Wunder ist geschehen.«
»Ja, ja, natürlich.« Schwester Pureza strich begütigend über das feuchte Haar der jungen Frau. »Er hat ein Muttermal, Lucrezia. Der Herr hat deinen Sohn gezeichnet, auf dass du ihn erkennst, wo immer er ist.«
Lucrezias Griff lockerte sich ein ganz klein wenig. »Wenn es ein Junge ist, dann muss es mein Filippino sein«, beharrte sie mit jähen Tränen in den Augen.
Schwester Pureza schlug die Decke zurück, ohne Lucrezia das Kind aus der Hand zu nehmen. Der Kleine hatte eine Windel an. Sie öffnete die Knoten und drehte ihn um.
»Ja!«
Sie zeigte Lucrezia das kleine rote, kreuzförmige Muttermal. »Das ist dein Sohn. Die Madonna vom Gürtel hat ihn dir tatsächlich zurückgebracht.«
Als Fra Piero später in der Krankenstation vorbeischaute, lag das Kind an der Mutterbrust. Lucrezia machte nur halbherzige Bemühungen, sich zu bedecken, sie war viel zu glücklich, ja selig, um sich wegen solcher Nichtigkeiten Gedanken zu machen.
»Sagt es bitte Bruder Filippo«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Sagt ihm, die Heilige Jungfrau hat mir unser Kind zurückgegeben, und der Herr hat es mit einem Segenszeichen versehen.«
Sie lächelte selig, ihr Gesicht glühte. Das Kind lag warm in ihrer Armbeuge, seine plumpe Wange an ihre runde Brust geschmiegt. Sie legte einen Finger an seine feuchte kleine Handfläche und die kleine Hand griff sofort zu. Die durchsichtigen kleinen Fingernägel waren gesund und rosig. Er hatte die Augen geschlossen, seine Wangen pumpten, sein Mündchen war eifrig mit Saugen beschäftigt. Seine zarten lila Augenlider flatterten, als er sein Mündchen von ihrer Brustwarze löste. Lucrezia riss ihre blauen Augen von ihrem Kind los und heftete sie auf den Prokurator.
»Fra Piero«, bat sie, »sagt Filippo, dass er kommen und uns holen soll.«
Mindestens zum zehnten Mal untersuchte die Äbtissin Bartolommea den Korb, in dem das Kind gebracht worden war. Kopfschüttelnd sagte sie zu Schwester Camilla: »Da muss doch irgendwo ein wenig Gold sein, ein paar Münzen, ein Zeichen der Dankbarkeit von der Madonna. Das Kind ist hier im Kloster zur Welt gekommen, wir haben seine Mutter aufgenommen, wir haben den Zorn des Propsts und des Generalabtes ertragen.«
Beim Gedanken an Saviano erschauderte die Äbtissin. Was würde er sagen, wenn er erfuhr, dass Lucrezia ihr Kind zurückbekommen hatte und beide, Mutter und Kind sich, entgegen seiner expliziten Anordnung, hier im Kloster aufhielten?
»Schwester Camilla«, verkündete sie laut ihren Entschluss, »der Generalabt hat uns klare Anweisungen gegeben. Er will das Kind nicht hier auf dem geweihten Boden des Ordens haben.«
Schwester Camillas Nase war ganz rot. Die Äbtissin musste zweimal hinschauen, um sicher zu sein. Sie hoffte, die dumme Gans war nicht etwa über die Rückkehr des Kindes gerührt oder hatte gar Verständnis für diese törichte Lucrezia.
»Mutter und Kind müssen das Kloster verlassen«, bestimmte die Äbtissin. »Sobald sie dazu in der Lage sind. In unserer Mitte ist kein Platz für Huren, Schwester Camilla.«
»Und was wird aus dem Altarbild, Mutter Oberin?«
Die Äbtissin suchte blinzelnd nach ihrer Brille. Sie meinte, ein Feixen auf Schwester Camillas Gesicht gesehen zu haben.
»Die Arbeit daran wurde bereits begonnen«, antwortete sie würdevoll. Sie griff in ihre Schreibtischschublade und holte ein zusammengerolltes Pergament hervor, das sie triumphierend vor Schwester Camilla entfaltete. »Der Maler hat schriftlich zugesagt; das ist so gut wie ein Vertrag!«
Fra Filippo stand in der bescheidenen Behausung seines Freundes und studierte die beiden Bilder, die an der Wand vor ihm lehnten. Das eine war die Pappelplatte mit der fertigen Skizze des Altarbilds für Santa Margherita, das andere war die Anbetende Madonna für die Medici.
Seit zwei Tagen versteckte er sich nun vor Cantansanti, um mit den
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