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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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vereinbarten Termin nicht eingehalten«, sagte Fra Filippo, ausnahmsweise ohne deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. »Aber Ihr könnt selbst sehen, dass die Arbeit gut geworden ist.«
    Ser Francesco griff in die Tasche und holte den Brief heraus, den er am selben Morgen erhalten hatte. »Da.« Er hielt Fra Filippo das zerknitterte Pergament hin. »Lest selbst.«
    Aus dem Schlafzimmer drang Lucrezias beruhigende Stimme. Er wappnete sich und las, dann blinzelte er verwirrt.
    »Was soll das heißen?«
    »Euer Rahmenentwurf hat Anklang gefunden. Es wird zwar viele Monate in Anspruch nehmen, aber er soll so gemacht werden, wie es Eurem Entwurf entspricht. In allen Einzelheiten und mit allen zusätzlichen Kosten. Hier ist ein Auftrag für die Schreiner.«
    »Aber Ihr sagtet doch, dass ich kein Geld mehr …«, stammelte Fra Filippo.
    »Geld gibt’s auch keines!«, entgegnete der Emissär scharf. »Ihr könnt alles, was Ihr braucht, bei Ser Bartolomeo bestellen, er wird die Order dann genau nach Euren Anweisungen ausführen. Der Entwurf ist beeindruckend, Filippo, das muss man Euch lassen. Und erst das Altarbild!« Der Emissär schubste Fra Filippo sanft beiseite. »Das Altarbild ist superb! Besser als alles, was Ihr bisher gemacht habt.«
    »Guter Giovanni«, hatte er an Cosimos Sohn geschrieben, in dessen Hände der Auftrag für den König von Neapel übergegangen war. »Der Mann ist zwar verrückt und obendrein ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten, aber er ist ein brillanter Künstler, seine Werke unübertroffen. Er wird das Bild beenden und wenn ich ihn zur Staffelei prügeln müsste! Oder Ihr schickt Euren Emissär, Ser Bartolomeo, vielleicht hat der ja mehr Geduld als ich.«
    »Das Licht, der Wald, die Hand Gottes.« Der Emissär beugte sich näher heran, studierte die verschiedenen Farbschichten. »Die Farben sind so brillant, als hättet Ihr einen Spiegel ans Fenster gehalten und eingefangen, was Gott darauf abgebildet hat.«
    Ser Francesco schüttelte amüsiert den Kopf. Er wurde allmählich genauso verrückt wie der Maler.
    »Aber das Jesuskind«, sagte er und deutete auf das leere, fleischfarbene Oval. »Wo ist das Gesicht des Kindes?«
    Er schaute den Mönch an, dessen Hände zur Abwechslung einmal sauber waren.
    »Aha, ich sehe schon«, bemerkte Cantansanti trocken, »solche Dinge brauchen Zeit.«
    Lucrezia saß im Schlafzimmer und stillte den Säugling. Sie legte einen Finger zwischen seine Lippen und entzog ihm ihre Brustwarze, um die Seite wechseln zu können. Er schnappte nach Luft und stieß einen zornigen Schrei aus.
    Die Männer hörten es und blickten einander an.
    »Jetzt kann ich sein Gesicht vor mir sehen«, lächelte Fra Filippo. »Ja, Ser Francesco, jetzt kann ich das Bild fertig malen.«
    »Dann macht Euch an die Arbeit, Bruder«, sagte der Emissär, nahm seinen Umhang und wandte sich zum Gehen. »Ich werde Euch im Auge behalten, Filippo. Vergesst nicht: Das Auge der Medici ruht allzeit auf Euch.«

Epilog
    Am Donnerstag der zweiten Adventswoche, im Jahre des Herrn 1481
    DIE BRANCACCI-KAPELLE VON SANTA MARIA DEL CARMINE, FLORENZ, ITALIEN
     
     
    L icht sickert durch die Buntglasfenster der kleinen Kapelle von Santa Maria del Carmine und fällt auf den Künstler. Der Mann auf dem Gerüst ist groß, sein dichtes braunes Haar schulterlang, der Mund voll und schön geschnitten. Er kaut auf seiner Unterlippe und mustert kritisch die Fleischtöne, an denen er den ganzen Nachmittag lang gearbeitet hat. Er pinselt Ocker auf die grüne Unterlage des Gesichts vom heiligen Petrus auf dem Thron.
    Der Künstler seufzt. Es ist eine mühsame Arbeit, die Fresken des großen Masaccio zu restaurieren!
    Kopfschüttelnd taucht der junge Mann seinen Pinsel in den Topf mit Ocker. Was für eine Schande: mehr als vierzig Gesichter in der Szene, in der Petrus den Sohn des Theophilus von den Toten erweckt, und mindestens zehn davon bis zur Unkenntlichkeit zerstört! Er kann nicht verstehen, warum ausgerechnet die Medici, diese großen Kunstliebhaber, zugelassen haben, dass dieses Meisterwerk zerstört wurde. Aber die Gesichter der Brancacci und deren Freunde – Erzfeinde der Medici – sind 1434 in blinder Wut zerkratzt und seitdem nicht mehr restauriert worden.
    Es ist ein warmer Tag. Unten, in der Kapelle, machen sich Mönche und Priester zur Abendmesse bereit. Die Helfer des Malers säubern ihre Pinsel und räumen die Farbeimer weg. Die Dämmerung bricht herein und das Tageslicht schwindet, aber der Maler

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