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Das bisschen Haushalt

Das bisschen Haushalt

Titel: Das bisschen Haushalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin-Nils Däfler
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Hosentasche zeichnen sich deutlich die Umrisse seines 17-teiligen Messers ab und mit seiner rechten Hand umklammert er die Plastiktüte. Wow - ein echter Wanderprofi! Rebecca hält ihre Julia im Arm; Letztere sieht aus, als ob sie aus der Kleiderkammer des Roten Kreuz eingekleidet worden wäre. Julia muss aber nicht auf dem Arm bleiben - sie darf in den Puppenkinderwagen. Meint zumindest Rebecca. „Prinzessin, bist du dir sicher, dass Julia mit soll? Dann musst du sie aber die ganze Strecke tragen, weil der Weg für den
    Puppenkinderwagen völlig ungeeignet ist. Da liegen ganz viele Steine und Stöcke rum“, versuche ich, Rebecca davon abzuhalten, ihren Nachwuchs mitzunehmen. „Na gut, dann halt nicht“, antwortet sie motzig.
    Den ersten Teil der zwanzigminütigen Fahrt zum Wanderparkplatz „Rosa Ruh’“ verbringen wir damit, Einigkeit über das Musikprogramm zu erzielen. Ich möchte den sommerlichspanischen Sound von Marquess hören. Paul hingegen will die Hörspiel-CD „Die Fünf Freunde erforschen die Schatzinsel“ eingelegt wissen. Und Rebecca? Sie besteht darauf, dass Detlef Jö-ckers „1, 2, 3 im Sauseschritt“ erklingt. „Baby, Baby“, giftet Paul seine Schwester an. Die hat ein: „Gammelkopf!“, für ihn parat, was Paul wiederum mit einem herzlichen: „Bazille“, beantwortet. „Schluss, wenn ihr nicht augenblicklich aufhört, schalte ich das Klassikprogramm vom Bayerischen Rundfunk ein!“ Radio und CD-Player bleiben stumm, bis wir am Parkplatz eintreffen.
    Auf der Übersichtstafel informieren wir uns über den Wegverlauf. „Schaut, Kinder, wenn wir zur Fischerhütte wollen, müssen wir zuerst hier rechts und dann an der Abzweigung dem Weg mit dem Eichenblatt folgen.“ Paul ist anderer Ansicht. Er scheint sofort gepeilt zu haben, wie wir laufen müssen, denn er zieht alsgleich seinen Kompass hervor, nickt vielsagend und erklärt mit kundiger Stimme: „Wir müssen da lang“, wobei er auf den mittleren der drei abzweigenden Wege deutet. „Nein, wir müssen rechts gehen.“ „Dad, du hast echt null Plan. Da machen wir doch einen riesigen Umweg. Wenn wir den mittleren Weg nehmen, sind wir viel schneller da.“ „Nein! Erstens führt dein Pfad nach Heinrichsthal und nicht zur Fischerhütte. Und zweitens, mein Lieber, sind wir hier zum Wandern, und nicht um im ICE-Tempo zum Lokal zu kommen. Wir laufen rechts. Basta.“
    Plastiktüten-Paul und Rebecca traben missmutig los. „Hey, Freunde, jetzt macht mal nicht so ’ne miese Stimmung. Das ist doch herrlich, so mitten im Wald.“ „Na ja, ehrlich gesagt, würde ich jetzt lieber Fernseh gucken“, meint Rebecca. Paul antwortet nicht, sondern schlägt sich in die Büsche - er will das Unterholz erforschen, wie er uns zuruft. Das Unterholz will aber nicht erkundet werden; anders ist es nicht zu deuten, dass Paul bereits nach einer Minute wieder vor uns steht. Die Unterarme sind zerkratzt, die Knie grün-braun gefärbt und die Haare zer-saust. „Scheiß Gestrüpp“, sagt er nur und befreit sich von den hölzernen Überbleibseln seines Kurztrips in die Wildnis. „Das nächste Mal solltest du dir was Langärmeliges und eine Kappe anziehen“, empfehle ich, ernte für meinen väterlichen Ratschlag aber nur einen trotzigen Blick, der wohl bedeuten soll: „Nerv’ doch nicht mit deinen ungebetenen Ratschlägen!“
    Nach einer Viertelstunde beginne ich, etwas nervös zu werden. Die Abzweigung zur Fischerhütte müsste doch schon vor ein paar Minuten gekommen sein. Haben wir das Eichenblatt übersehen? Nach weiteren zehn Minuten ist noch immer kein Symbol aufgetaucht. Jetzt bloß nicht den Orientierungslosen mimen. Ich summe „Das Wandern ist des Müllers Lust“ leise vor mich hin und hoffe inständig, dass bald der erlösende Hinweis kommt. Dieser bleibt aus, dafür begegnet uns ein älteres Ehepaar. Ich werde nach dem Weg fragen: „Entschuldigung, wie weit ist es noch zur Fischerhütte?“ „Zur Fischerhütte? Da sind Sie hier aber völlig verkehrt! Sie müssen wieder zurück zum Parkplatz und dort den mittleren Weg nehmen.“ „Äh, sind Sie da sicher?“ „Ja, ja, ganz sicher!“ Pauls Gesicht strahlt im Triumph; Rebeccas im blanken Horror. Ich hieve Rebecca auf meine Schultern und nehme die Pauls Plastiktüte in die rechte Hand.
    Wir kehren um, schweigen den Rückweg über, verzehren am Parkplatz Nutella-Sandwiches, fahren nach Hause, hören dabei „Die Fünf Freunde erforschen die Schatzinsel“ und verbringen den restlichen Tag vor

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