Das blaue Zimmer
lächelndes Gesicht. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können.
Schließlich brach Lalla das Schweigen. „Ich weiß jetzt, was ich mache. Ich meine, ich weiß, wie ich mein Leben gestalten will. Ich gehe zurück nach London. Rosemary sagt, ich kann bei ihr wohnen. Ich besuche einen Kurs für Sekretärinnen und sehe mich nach einem Job um.“
„Mama wird enttäuscht sein.“
„Sie wird es verstehen. Es ist genau das, was ich immer ge wollt habe. Wir sind doch hier lebendig begraben. Und da ist noch etwas. Ich bin es leid, arm zu sein. Ich bin es leid, selbstge schneiderte Kleider zu tragen und nie ein neues Auto zu haben. Wir haben immer davon geredet, unser Glück zu machen, und da ich die Älteste bin, kann ich ja damit anfangen. Wenn ich es jetzt nicht mache, mache ich es nie.“
„Godfrey war heute abend da“, sagte ich.
„Godfrey?“
„Er ist direkt von Bristol hergefahren.“
Sie schwieg dazu, und ich war wütend. Ich wollte sie verlet zen, damit sie sich so elend fühlte wie ich. „Er ist nur gekommen, weil er dich treffen wollte, aber du hast ihn nicht einmal bemerkt.“
„Du wirst doch wohl nicht behaupten wollen, daß das meine Schuld ist.“
Und so kehrte Lalla nach London zurück. Sie wohnte bei Rose mary und besuchte einen Sekretärinnenkurs, wie sie es ange kündigt hatte. Später bekam sie einen Job in der Redaktion einer Modezeitschrift, doch es dauerte nicht lange, bis einer der Fotografen erkannte, was in ihr steckte, sie von ihrer Schreibmaschine weglockte und Probeaufnahmen von ihr machte. Schon bald lächelte uns ihr hübsches Gesicht vom Ti telblatt der Zeitschrift zu, und die Hochglanzseiten zeigten Bil der von Lalla in Pelzen, in hohen Stiefeln, in märchenhaften Abendkleidern. Sie zog in eine eigene, kleine Wohnung, kaufte sich ein Auto und reiste zu Modeaufnahmen auf die Jungferninseln, nach Tunesien, Irland oder Venedig.
„Von wegen“, sagte Barney, „auf einem Kamel durch In dien reiten!“
„Wie fühlt man sich, wenn man eine berühmte Tochter hat?“ fragten die Leute Mama. Nur, Mama hatte sich nie so recht mit Lallas Erfolg abfinden können, ebensowenig wie mit Allan Sutton. Allans Zuneigung zu Lalla hatte sich als dauer haft erwiesen, und er war nun ihr ständiger Begleiter. Manch mal kamen sie für ein Wochenende nach Carwheal (anschei nend hatten sie nie Zeit, länger zu bleiben), doch Mama benahm sich ihm gegenüber nach wie vor zurückhaltend. Ich glaube, sie war der Meinung, er habe alles in allem zuviel des Guten an sich, während Barney und ich zu der traurigen Erkenntnis kamen, er habe keinen Sinn für Humor.
„Hoffen wir, daß er sie nicht heiratet“, sagte Barney, aber natürlich beschlossen sie letzten Endes, wie hätte es auch anders sein können, genau das zu tun. „Wir haben uns verlobt!“ Lalla rief aus London an, um uns das mitzuteilen, und dabei klang ihre Stimme, als säße sie im Zimmer nebenan; es war zum Verrücktwerden.
„ Oh Liebling!“ sagte Mama nur leise.
„Freu dich doch! Bitte freu dich! Ich bin so glücklich und könnte es nicht ertragen, wenn du nicht glücklich wärst.“
Also behauptete Mama natürlich, sie freue sich darüber, aber die Wahrheit war, daß keiner von uns Allan wirklich gern mochte. Er war… nun ja, er war verwöhnt. Er war eingebil det. Er war zu reich. Als ich das Mama gegenüber andeutete, hielt sie treu zu Lalla und sagte: „Dinge bedeuten Lalla eine Menge. Das war wohl schon immer so. Ich meine Besitz und Sicherheit. Und vielleicht auch jemand, der sie wirklich liebt.“
„Godfrey hat sie wirklich geliebt“, wandte ich ein.
„Damals waren sie noch so jung. Und vielleicht konnte ihr Godfrey nicht das geben, was sie brauchte.“
„Aber er konnte ihr Liebe geben. Und er konnte sie zum La chen bringen. Allan bringt sie nie zum Lachen.“
„Vielleicht“, sagte Mama traurig, „ist sie aus dem Lachen herausgewachsen.“
Und dann kam Ostern. Wir hatten seit einer Weile nichts von Lalla gehört und nicht damit gerechnet, daß sie in den Früh jahrsferien nach Carwheal kommen würde, doch sie rief aus heiterem Himmel an und sagte, sie habe sich in letzter Zeit nicht ganz wohl gefühlt und für ein paar Wochen frei genom men. Mama war natürlich begeistert, machte sich aber Sorgen um ihre Gesundheit.
„Liebling, was hast du denn?“
„Ach, nur eine Grippe oder so. Ich bin ein bißchen ange schlagen.“
„Kommt Allan mit?“
„Nein, er kann nicht. Er hat zuviel zu
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