Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Moment, als Angel den fast zweieinhalb Meter großen Meister erblickt hatte, eröffnete er mit dem Sturmgewehr das Feuer, doch die Kreatur wich den Kugeln mühelos aus. Sie zischten durch den Raum und durchbohrten die Steuereinheit an der gegenüberliegenden Wand. Für einen kurzen Augenblick war der Meister in einer Ecke sichtbar, aber als sich Angel umdrehte, um erneut zu schießen, war er schon wieder verschwunden. Weitere Kugeln schlugen in die Elektronik, Funken sprühten.
Setrakian wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Boden zu. Versuchte verzweifelt, die winzigen Tabletten in die Finger zu bekommen.
Der Meister kam erneut zum Stehen - diesmal direkt vor Angel. Interessiert betrachtete er diesen für menschliche Verhältnisse riesigen Mann. Könnte das ein neuer Wirtskörper sein? Der Meister bemerkte das geschundene Knie, doch dieses Gebrechen konnte er leicht heilen; der Körper war alt, aber für eine vorübergehende Behausung würde er ausreichen.
Andererseits …
Angel gab einen Schrei von sich, ließ die Waffe klappernd zu Boden fallen und ging auf die Kreatur los.
Mühelos wich der Meister aus. Der Ex-Wrestler wirbelte herum, doch schon stand der Vampir wieder hinter ihm und schlug ihm ins Genick. Angel zuckte zusammen, taumelte nach vorne.
Dieser rudo wollte ihn zum Narren halten, und das brachte ihn in Rage. Er wirbelte erneut herum, schlug zu … und traf die Kreatur mit der Handfläche direkt am Kinn.
Der Engelskuss.
Überrascht, dass dieser Mensch tatsächlich einen Treffer gelandet hatte, blickte der Meister auf Angel herab. Die Blutwürmer schossen nun förmlich durch seine Adern.
Andererseits … hatte er sich bereits für einen anderen Wirtskörper entschieden.
Angel war ebenso überrascht. Er verzog das Gesicht unter der Maske zu einem Grinsen und dann sagte er: »Du würdest wohl nur zu gern wissen, wer unter der Maske steckt. Doch dieses Geheimnis werde ich mit ins Grab nehmen. Mein Antlitz muss verborgen bleiben.«
Diese Sätze hatte er in allen seinen Filme gebracht, und El Ángel de Plata hatte Jahrzehnte - ein ganzes Leben lang - darauf gewartet, diese Worte noch einmal zu sagen.
Und dann hatte der Meister genug von dieser Komödie. Mit voller Wucht schlug er dem Ex-Wrestler ins Gesicht. Der linke Kieferknochen unter der Maske splitterte, das Auge darüber wurde zerquetscht. Angel taumelte. Sein Knie schmerzte wie noch nie zuvor, er schmeckte sein eigenes Blut … und doch schien plötzlich die Zeit rückwärts zu laufen, und er fühlte sich wieder jung und voller Energie.
Natürlich: Er war gerade am Set. Unten in seinem geliebten Mexiko. Sie drehten einen Film. Das Ungeheuer vor ihm war nur ein raffinierter Spezialeffekt, ein Statist in einem Kostüm … Nur warum hatte er solche Schmerzen? Außerdem roch seine Maske komisch. Hatte er seine Haare nicht
gewaschen? Schwitzte er so stark? Ja, die Maske stank wie ein eingemottetes Kleidungsstück. Wie ein alter Mann …
Nein!
El Ángel de Plata rückte die silberne Maske zurecht und stellte sich breitbeinig hin. Dann gab er einen letzten furchterregenden Schrei von sich und stürmte auf den Meister zu.
Der König der Vampire ließ den Gehstock fallen, packte den großen Mann mit beiden Händen und riss ihn in Stücke.
Setrakian schloss die Augen. Es war ihm gelungen, die Tabletten vom Boden aufzuheben, und nun schob er sie sich unter die Zunge. Zerdrückte sie. Schluckte sie eine nach der anderen hinunter.
Dann war der Meister bei ihm, griff nach seiner Schulter und hob den dürren alten Mann hoch. Setrakian baumelte vor dem fürchterlichen Gesicht der Kreatur.
Ich glaube, tief im Inneren hast du dich immer danach gesehnt, Abraham Setrakian. Ich glaube, du warst immer neugierig, was dich auf der anderen Seite erwartet.
Setrakian presste die Lippen zusammen. Er durfte auf keinen Fall die Tabletten aus dem Mund verlieren. Aber er musste ihn ja nicht öffnen, um dem Meister zu antworten. Mein Schwert singt von Silber , schoss es durch die Gedanken des alten Mannes. Das Buch war sehr lehrreich. Jetzt wissen wir, dass Tschernobyl nur ein Täuschungsmanöver war. Er beobachtete das Gesicht des Meisters, wartete sehnlichst auf eine Veränderung in dieser boshaften Fratze. Dein Name. Ich kenne deinen wahren Namen. Willst du ihn hören … Ozryel?
Blitzartig öffnete sich der riesige Mund des Meisters, der Stachel schoss heraus, drang mit einem sirrenden Geräusch in Setrakians Hals, durchtrennte die Stimmbänder, bohrte sich
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