Das Blut der Azteken
er unter dem Fenster der Angebeteten ein Loblied auf ihre Augen gesungen habe.
Augen von strahlender Klarheit,
ach, schauet zärtlich mich an.
Warum blickt Ihr so ungnädig drein?
Und nicht lieblich nur zur Freude?
Wenn Eure sanften Augen
betrachteten mich voller Lieb,
möcht mir das Herz überborden
Augen von strahlender Klarheit,
habt mich mit Aufmerksamkeit bedacht,
schenkt Euern holden Blick mir.
Ich half dem Zauberer, seinen Stand auf dem Markt aufzubauen. Sofort scharten sich einige Indios um ihn, weshalb es sich erübrigte, eine wundersame Heilung vorzutäuschen. Also schlenderte ich über den Platz; dabei konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass es noch eine größere Stadt als Puebla gab. Wie mochten bloß Mexiko-Stadt und die prächtigen Städte Spaniens aussehen?
»Bastardo, die Glücksgöttin ist dir gewogen«, rief Mateo mich zu sich. »Eine Schauspielertruppe ist in der Stadt. Wie viele Pesos hast du bei dir, Freund?«
Nachdem Mateo mir mein Geld abgenommen hatte, folgte ich ihm erwartungsvoll. Er hatte mir nie erklärt, warum er und seine Schauspielerkollegen beim König in Ungnade gefallen waren. Allerdings war mir zu Ohren gekommen, dass sie beim Verkauf geschmuggelter anstößiger und verbotener Bücher ertappt worden waren. Doch die Deportation seiner Kameraden nach Manila und der Umstand, dass man ihm mit dem Galgen drohte, wiesen darauf hin, dass vermutlich mehr als ein paar unsittliche Romane dahinter steckten.
Vor einer Hausmauer war eine einige Meter erhöhte Bretterbühne aufgebaut worden. Links und rechts davon hatte man einen Bereich mit Decken abgetrennt, Garderoben für die Schauspieler, wie Mateo mir erläuterte. Als Sitzplätze für das Publikum hatte man Baumstämme ausgelegt, andere Zuschauer hatten Bänke von zu Hause mitgebracht. Die Fenster, Balkone und Dächer der umliegenden Häuser dienten als Logen für die bessere Gesellschaft. Die Bühne war nicht vor Wind und Regen geschützt. »Wenn es zu heftig regnet, unterbrechen sie eben«, sagte Mateo.
»Kennt Ihr die Schauspieler?«, fragte ich ihn.
»Nein, aber ich bin sicher, dass sie schon von Mateo Rosas de Oquendo gehört haben.«
Wenn nicht, würde es bestimmt bald dazu kommen.
»Die Truppe gibt sich als Spanier aus, aber ich erkenne an ihrem Akzent, dass das nicht stimmt. Wahrscheinlich sind sie Italiener. Alle wollen auf spanischen Bühnen auftreten, denn schließlich sind unsere Stücke und Schauspieler bekanntermaßen die besten der Welt. Dieses Stück stammt aus der Feder meines Freundes Tirso de Molina. Der Betrüger von Sevilla ist eine comedia in drei Akten.«
»So wie das, dass Ihr in…«, ich geriet ins Stottern, »Sevilla aufgeführt habt?« Beinahe hätte ich ›auf dem Markt‹ gesagt. Ich war bereits zu dem Schluss gekommen, dass Mateo mich als den Jungen vom Markt in Jalapa erkannt hatte, doch über diese Angelegenheit fiel kein Wort zwischen uns.
»Ja, wie in Sevilla. Obwohl eine Aufführung in Puebla gewiss bescheidener ausfallen wird.«
Das provisorische Theater erschien mir prächtig genug. Bis jetzt kannte ich nur die Stücke, die bei religiösen Feiertagen in den Kirchen zum Besten gegeben wurden -und natürlich das vom Markt in Jalapa, wo ein mit Gras bewachsener Hügel und ein paar Decken als Theater gedient hatten. Damals hatte das Publikum aus ungebildeten Maultiertreibern und reisenden Kaufleuten bestanden. Aber als ich einen Blick auf die Balkone und Dächer warf, bemerkte ich, dass auch wohlhabendere Leute gekommen waren, um sich das Stück anzuschauen.
Mateo wollte Plätze auf einem Balkon oder Dach, doch es waren keine mehr frei. Für ein paar zusätzliche Kupfermünzen konnten wir welche auf einer Bank an der Mauer gegenüber der Bühne ergattern. Wir stellten uns darauf, um besser sehen zu können.
In der Nähe der Bühne drängte sich das gemeine Volk.
»Die mosqueteros sind eine Plage«, meinte Mateo. »Jeder Metzger oder Bäcker, der nicht einmal seinen Namen schreiben kann, verwandelt sich, sobald er ein Theater betritt, in einen Fachmann für comedias. Männer, deren Schauspielkünste sich bis jetzt darauf beschränkt haben, ihre Frauen zu betrügen, glauben plötzlich, sie könnten die Leistungen eines Schauspielers beurteilen.«
Die erste Szene spielte im Palast des Königs von Neapel. Es war Nacht, und Isabell, eine Herzogin, erwartete in einem dunklen Zimmer das Eintreffen ihres Geliebten, Herzog Octavio.
Die Hauptfigur namens Don Juan trat auf. Beim
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