Das Blut der Azteken
angenehmes Gefühl ergriff mich. Alles war gut.
Man nahm mir Knebel und Fesseln ab. Als man mir auf die Füße half, erhob ich mich lachend. Meine gesamte Umgebung, die Verkleidung der Indios, die alten Tempel, ja, selbst der Dschungel leuchteten in grellen Farben. Ich umarmte den naualli. Das Leben war wunderschön.
Die Ritter umringten mich; wegen der Umhänge, der Kopfbedeckungen und der Masken waren sie nicht zu erkennen. Als sie mich an den Armen packten, wehrte ich mich zunächst. Doch sie führten mich zur Treppe. Bereitwillig folgte ich ihnen und war froh, bei meinen Freunden zu sein.
Meine Füße schienen sich wie von selbst zu bewegen, und ich verlor jede Kontrolle über sie, weshalb ich beim Versuch, die Stufen hinaufzusteigen, ins Stolpern geriet. Aber meine Freunde hielten mich fest und halfen mir.
Trotz meiner freudigen Stimmung ahnte ich, dass mich oben vor dem Schrein des Tempels etwas Schreckliches erwartete. Eine seltsame Geschichte aus der Zeit vor der Eroberung fiel mir ein, die ich gehört hatte, als ich draußen vor einem Gasthaus auf Mateo wartete. Ein Indiomädchen war klüger als die anderen gewesen, die sich häufig nicht nur freiwillig opfern ließen, sondern es sogar als Ehre betrachteten. Sie hatte den Priestern gesagt, sie werde den Regengott bitten, es nicht regnen zu lassen, falls sie geopfert werden sollte. Daraufhin gaben die abergläubischen Priester sie frei. Ich kicherte vor mich hin, als ich mir vorstellte, wie ich dem naualli damit drohen würde.
Oben angekommen, riss ich mich los, um den majestätischen Anblick des Dschungels zu genießen. Beim Anblick der vielfältigen Farben lachte ich verzückt auf. Verschiedene Grün- und Brauntöne leuchteten. Ein bunter Singvogel flog vorbei.
Wieder umringten mich meine Freunde und versuchten, mich an den Armen zu fassen. Ich stieß sie weg, tanzte herum und lachte über ihre Bemühungen, mich einzufangen. Vier von ihnen stürzten sich auf mich. Während zwei mich packten, stellten die anderen beiden mir ein Bein, sodass ich nach hinten kippte. Dann hoben sie mich hoch und trugen mich zum Opferstein.
Sie legten mich auf den gewölbten Stein, sodass meine Brust über Kopf und Füße hinausragte.
In mir regte sich der bohrende Gedanke, dass etwas nicht stimmte. Diese Männer wollten mir etwas antun und mir Schmerzen zufügen. Ich wehrte mich gegen ihren Griff, aber es war vergebens.
Der naualli beugte sich über mich. Er stimmte ein Loblied an die Götter an und fuchtelte mit einem Messer aus Obsidian herum. Dann senkte er die Klinge auf meine Brust, schnitt mir das Hemd auf und streifte es beiseite. Nun sträubte ich mich aus Leibeskräften, doch meine Arme und Beine wurden weiter festgehalten.
Der Gesang des naualli wurde immer schriller, bis er an das Kreischen einer Dschungelkatze erinnerte. Ich spürte die aufgeheizte Stimmung und die Blutgier der Männer, die mich umringten. Der naualli umfasste das Opfermesser mit beiden Händen und hob es hoch über den Kopf.
Plötzlich ließ einer der Ritter, die mich festhielten, meinen Arm los. Ich sah ein Schwert aufblitzen. Der naualli taumelte zurück, als der Ritter mit dem Schwert nach ihm ausholte. Die Klinge verfehlte den Magier zwar, traf jedoch den Mann, der eines meiner Beine umklammerte. Auf der Pyramide brach Tumult aus, und ich wurde endlich freigegeben. Die Männer zückten Holzschwerter mit rasiermesserscharfen Klingen aus Obsidian. Doch das stählerne Schwert schlug sie in der Mitte entzwei.
Am Fuß des Tempels waren Musketenschüsse und Geschrei zu hören.
Ich ließ mich vom Opferstein auf den harten Boden fallen. Als ich mich benommen aufrappelte, gaben die Jaguarritter, die noch lebten, den Widerstand auf und ergriffen vor dem Mann mit dem stählernen Schwert die Flucht.
Nachdem der letzte Ritter davongelaufen war, drehte sich der Mann mit dem Schwert zu mir um. »Bastardo, du hast wirklich Talent, dich in Schwierigkeiten zu bringen.«
Mateo nahm die Maske ab und lächelte mich an. Ich grinste zurück.
Don Julio kam die Stufen hinauf. »Wie geht es dem Jungen?«
»Der naualli hat ihm irgendein Betäubungsmittel verabreicht, doch bis auf sein dämliches Grinsen scheint alles in Ordnung zu sein.«
»Der naualli ist entkommen«, sagte Don Julio. »Meine Männer verfolgen ihn, aber er ist schneller als eine Dschungelkatze.«
»Er ist eine Dschungelkatze«, erwiderte ich.
Bald fand ich heraus, dass man mich benutzt hatte wie ein Opferlamm.
Nach der Rückkehr zu
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