Das Blut der Azteken
die Hand.
Eléna stand neben Luis. Sie lächelte mir liebevoll zu. Luis' Gesicht zeigte keine Regung, doch man musste kein Hellseher sein, um seine Gedanken zu erraten. Wenn Isabella zu schreien anfing und die Gäste sich auf mich stürzten, würde Luis der Erste sein, der den Dolch zückte.
Mein schlimmster Albtraum war, vor Eléna bloßgestellt zu werden. Was würde in ihr vorgehen, wenn ihr Held von Palastwachen in den Kerker geschleppt wurde?
Ich konnte den Drang zur Flucht kaum noch unterdrücken, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Meter um Meter näherte ich mich Isabella. Meine Gedanken überschlugen sich. Würde es wirklich so enden? Würde ich enttarnt und verhaftet werden, anstatt Rache an Luis und Ramón nehmen zu können? Wo war Ramón? Ganz sicher befand er sich irgendwo unter den Gästen. Würde er den Mestizenjungen erkennen, dem er vor so langer Zeit nach dem Leben getrachtet hatte? Würde er Isabella dabei helfen, mich als Betrüger anzuklagen?
Eine Frau schrie.
Isabella kam in die Gasse gestürmt, die ich gerade mit Don Silvestre und dem Vizekönig entlangschritt.
Ich erschrak mich fast zu Tode. Ihr Kleid brannte.
Während Männer die Flammen ausschlugen, sah ich eine in Rot gekleidete Gestalt in der Menge untertauchen. Ich grinste übers ganze Gesicht, was angesichts der misslichen Lage, in der die Dame steckte, ausgesprochen unhöflich war. Doch ich war machtlos dagegen.
Leider hatten die Flammen Isabella nicht verschlungen, sondern nur die Rückseite ihres Kleides und ein paar Unterröcke angesengt. Dennoch war sie gezwungen, sich zu verabschieden, was sie unter lautem Geheule tat. Man nahm an, dass sie einer Kerze zu nah gekommen war.
Der Tanz wurde von Luis und Eléna eröffnet. Ich ließ Don Silvestre bei ein paar Freunden stehen und lehnte mich an eine Wand. Inzwischen war mein dümmliches Grinsen verflogen, ich war angespannt, und mein Atem ging stoßweise. Ich sah mich um, um festzustellen, ob noch jemand da war, den ich kannte. Soweit ich es beurteilen konnte, war Ramón nicht erschienen.
Um mich zu beruhigen, griff ich nach einem Weinkelch und dann nach einem zweiten und einem dritten. Bald fühlte ich mich leichter im Kopf, doch das Herz war mir immer noch schwer, weil ich mit ansehen musste, wie Luis und Eléna einen Tanz nach dem anderen tanzten. Einmal warf sie mir einen Blick zu, und ich lächelte. Ich wusste, dass Luis sie absichtlich mit Beschlag belegte.
Als ich einen Schritt zur Seite machte, um Dienern mit einem Servierwagen auszuweichen, stieß ich mit einem Mann zusammen.
»Pardon«, sagte ich.
»Ich glaube, ich muss Euch um Verzeihung bitten«, erwiderte der Mann. »Wie Agesilan von Colchos, der einen Greifen ritt, um die schöne Diana zu retten, verdient Ihr alles Lob, das Konstantinopel Euch entbieten kann.«
Der Mann schien mir vertraut, nicht dass ich ihn kannte, sondern als ob ich ihn hätte kennen sollen. Etwas an seinem Gesicht und seinen Augen löste Erinnerungen in mir aus.
»Vielen Dank, Señor, aber ich fürchte, dass ich nicht so viel Glück habe wie Agesilan oder die anderen Caballeros aus grauer Vorzeit. In den alten Sagen nimmt der Held nämlich immer die Dame zur Frau, die er gerettet hat. In meinem Fall hingegen…«
»Ihr habt Recht. Anstelle des Helden muss die Prinzessin den Schurken heiraten.«
Der Wein und die mitfühlende Bemerkung des Mannes lösten mir die Zunge.
»Wahre Worte. Eléna wird gezwungen, einen Mann zu heiraten, der die Auffassung vertritt, dass man Frauen einreiten soll wie ein Pferd.«
»Ich sehe, Ihr kennt Don Luis gut, obwohl Ihr noch nicht lange in der Stadt seid. Leider schätzt Ihr ihn richtig ein. Die arme Eléna. Sie wollte sich in ein Kloster flüchten, um nicht seine Frau werden zu müssen, denn er wird ihr niemals gestatten zu lesen und zu schreiben. Dabei ist sie eine ausgezeichnete Dichterin. Die Worte, die sie nun in sich ersticken muss, werden der Welt verloren gehen. Aber Ihr dürft nicht allein Luis die Schuld geben. Für den Erben eines großen Namens und Titels hat er eine klägliche Erziehung genossen. Man hält es für den Fehler seines Vaters, der bekanntermaßen ein miserabler Spieler ist. Außerdem ein schlechter Dichter und sogar ein Trinker. Wenn Luis nicht wäre, stünde das Wappen schon längst zum Verkauf an Schweinehändler.«
»Angeblich soll sein Vater ein Taugenichts sein, der sein Vermögen am Spieltisch und mit Frauen durchgebracht hat. Doch das ist keine Entschuldigung für den
Weitere Kostenlose Bücher