Das Blut des Skorpions
präsentiert.
»Nun, da du gesehen hast, was auf dich zukommt«, sprach der Dominikanermönch weiter, »sollst du in deine Zelle zurückkehren. Dort wirst du Gelegenheit haben, gründlich über die Fragen, die ich dir gestellt habe, nachzudenken und zu beten. Ich hoffe, dass du dich das nächste Mal mehr bereit zeigst, mit mir, einem bescheidenen Diener Gottes, zu sprechen.«
Zwei andere Mönche kamen herein und brachten sie in die Zelle zurück.
In der Dunkelheit ihres engen Gefängnisses kreisten Beatrices Gedanken immer wieder um die Erfahrung in der Folterkammer. Sie war so erschöpft, dass sie ihren Kopf nicht von der groben Pritsche heben konnte, aber es gelang ihr trotzdem nicht, in einen barmherzigen Schlaf zu fallen, denn der Anblick der Folterinstrumente verfolgte sie.
Wie sollte sie sich diesem grausamen Schicksal entziehen? Wie dieser Tortur entkommen?
Beatrice war eine tapfere Frau, zumindest hatte sie sich immer dafür gehalten, doch sie wusste, dass sie nicht die Kraft haben würde, solch grausame Folterungen zu ertragen. Das Wissen um ihre Unschuld half ihr nicht und verschärfte ihr Elend nur noch. Ein Schuldiger hätte angesichts der angedrohten Qualen Zuflucht in einem Geständnis seiner Vergehen suchen und so der Folter entkommen können. Aber was hatte sie schon zu gestehen?
Sicher, sie konnte zugeben, Umgang mit dem Teufel gehabt zu haben, aber die Inquisitoren würden sich nicht mit Aussagen allgemeiner Natur zufriedengeben. Sie würden vorgeben, die Namen ihrer Komplizen zu kennen, und Beatrice würde ihnen irgendwelche Namen nennen. Sie würde andere unschuldige Menschen denunzieren müssen; andere Unglückliche würden mitten in der Nacht aus ihren Wohnungen geholt und in die finsteren Verliese des Heiligen Offiziums verschleppt werden, wo man sie der gleichen Behandlung unterziehen würde wie sie. Diese Denunzierten würden wiederum andere angebliche Verbündete ans Messer liefern und so weiter, ein endloser makabrer Reigen. Das war das System, auf das sich die Prozesse der Inquisition gründeten.
Wie konnte sie diesem perfiden, vorherbestimmten Szenario entgehen? Wie konnte sie es vermeiden, dass anderen das gleiche Unheil zugefügt wurde, das sie erwartete?
Es gab nur eine Lösung.
Sosehr sie vor diesem letzten Ausweg zurückschreckte, sah Beatrice keine andere Möglichkeit, als ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten.
Selbstmord.
Das Wort an sich erfüllte sie mit Abscheu, aber nicht aus religiösen oder moralischen Bedenken. Sie war einfach jung und liebte das Leben. Ein frisches Lüftchen an einem Sommermorgen, der Wind in den Winternächten, der Gesang der Vögel, das Murmeln des Flusses, die Spiele der Kinder, das Schwatzen der Weiber – alles, was sich auf dieser Erde bewegte, bereitete ihr Vergnügen.
Allein der Gedanke, eigenhändig ihren vorzeitigen Tod herbeizuführen, war ihr unerträglich.
Und doch musste es sein.
Denn schlimmer noch war die Vorstellung, dass sie am Ende Zane und den Maler anschwärzen würde. Natürlich würde sie versuchen, die Qualen so lange wie möglich auszuhalten, aber früher oder später würde sie ihre Freunde verraten. Dieser Gedanke war wirklich unerträglich.
Sie musste Selbstmitleid und Zaudern überwinden und sich schnell ein Ende bereiten, ehe sie durch die Schwachheit ihres Fleisches den Menschen, die sie liebte, Schaden zufügte.
Aber wie sollte sie das tun?
In der Zelle gab es keinerlei Geräte oder Gegenstände, die ihr zu diesem Zweck dienen konnten.
Zwar trug sie als Vorsichtsmaßnahme, weil die Straßen Roms nach Sonnenuntergang so gefährlich waren, immer eine lange, spitze Haarnadel in ihrer üppigen Mähne, doch diese kleine Waffe war ihr zusammen mit den wenigen anderen Besitztümern, die sie bei sich hatte, abgenommen worden.
Es blieb nur eines übrig.
Beatrice erhob sich mühsam, zog ihren Unterrock aus und begann, ihn mit zitternden Fingern in lange Streifen zu reißen, wobei sie auch ihre Zähne zu Hilfe nahm, um den festen Stoff zu zerteilen. Anschließend flocht sie die Streifen zu einem groben Zopf, um ein Seil zu erhalten, das fest genug war, ihr Gewicht zu tragen.
Das alles nahm geraume Zeit in Anspruch. Wegen der beinahe vollständigen Dunkelheit musste sie sich auf ihren Tastsinn verlassen, was nicht einfach war, da Kälte und Verzweiflung ihre Finger steif und gefühllos gemacht hatten.
Nach den schrecklichen Erlebnissen des Tages war sie außerdem mit ihren Kräften am Ende und musste immer wieder
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