Das boese Blut der Donna Luna
nach Valbisagno aufgebrochen war, hatten Marco Auteri und Gerolamo Privitera sich bereits zum dritten Mal in zwei Tagen auf den Weg zu Gianluca Sonnis Wohnung gemacht, doch auf ihr wiederholtes Klingeln antwortete niemand. Frustriert und unschlüssig sahen die beiden Männer einander an.
»Scheiße, Gerolamo, und wenn der geflüchtet ist? Was meinst du, macht sich einer, der nichts zu verbergen hat, aus dem Staub, weil er zum zweiten Mal an einem Tatort gesehen wurde?«
Gerolamo zuckte nur mit den Schultern. Der Lieferwagen, in dem Dottoressa Rosso ihn hatte davonfahren sehen, war nirgends zu entdecken. Hatte man sich zu Beginn der Ermittlungen nicht versichert, dass er nur einen Fiesta besaß? Der allerdings stand in der Garage. Die Spurensicherung hatte ihn nach dem ersten und zweiten Mord auf den Kopf gestellt, jedoch keinerlei verdächtige Spuren gefunden. Dass Gianluca ein zweites Auto hatte, war nicht bekannt. Auteri zögerte noch einen Moment, dann suchte er die Telefonnummer der Firma heraus, bei der der Mann arbeitete, und wählte nervös.
»Ist Sonni inzwischen bei Ihnen aufgetaucht, Signorina?«
»Dottor Auteri? Nein, Gianluca hat sich noch nicht blicken lassen, gestern ist er nicht zur Arbeit gekommen und hat sich auch nicht krankgemeldet. Sie haben heute Morgen sehr zeitig angerufen, aber seitdem ist er nicht erschienen. Eigentlich hätte er mit seinem Trupp wegen eines Auftrags nach Sampierdarena fahren sollen. Er hat nicht einmal angerufen ... Wie? Entschuldigen Sie einen Moment.« Die Sekretärin unterbrach das Gespräch, und Auteri war überrascht, die vertraute Stimme der Kollegin Sacco zu hören.
»Bist du das, Marco? Habt ihr Sonni gefunden? Es gibt Neuigkeiten. Im fraglichen Zeitraum, in dem die Dosen des Muskelrelaxans’ verschwunden sind, hat Sonnis Firma im Galliera Arbeiten durchgeführt. Ja, sie hatten die Möglichkeit, etwas mitgehen zu lassen. Die Signorina hier wird mir jetzt alles erklären, wie lange sie in der chirurgischen Abteilung zu tun hatten, und so weiter, wie oft er selbst dort gearbeitet hat. Ach, und Marco, ich an deiner Stelle würde mir einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung beschaffen und mich dort mal umsehen. Oder geh gleich rein und lass dir die Durchsuchung rückwirkend genehmigen ...«
»Schau mal an, unsere Amanda, da wär ich von selbst nicht drauf gekommen«, meinte der Vizekommissar ironisch. Er verabschiedete sich und machte Privitera, der aufmerksam zugehört hatte, ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie mussten sich einen Durchsuchungsbefehl besorgen oder zumindest nachsehen, ob sich in Gianlucas Wohnung nicht irgendetwas finden ließe, das die Ermittlungen voranbrächte.
»Vielleicht ein Kopf im Kühlschrank?« Gerolamo sah ihn unschuldig an.
»Wieso nicht, immerhin bin ich sicher, dass Gianluca Sonni uns von Anfang an etwas vorgemacht hat. Würde mich nicht wundern, wenn der alte Marco am Ende doch recht behalten würde, Palmieri hin oder her.«
Die Illusion ist das Gesetz des Lebens, Illusion und Täuschung, doch durch Opfer und Läuterung kann man Licht in die Finsternis bringen. Das Böse hinter sich lassen. Ein Jammer, dass die Wahrheit nur wenigen Auserwählten vorbehalten ist, die anderen flattern herum wie Falter um eine Lampe und verbrennen sich, und wie sie sich verbrennen! Sie brauchen Hilfe, finden aber keine. Der Großteil derer, die eingreifen, beistehen sollten, sind nicht in der Lage, die Größe zu begreifen, die die Überwindung der menschlichen Barrieren, Grenzen und Vorurteile erfordert. Sie haben nicht den Mut, den entscheidenden Schritt zu tun und sich auf die Seite der wahren Gerechtigkeit zu stellen. Ihr Polizisten, ihr bedauerlichen Kreaturen, dient der falschen Gerechtigkeit, Hunde eines falschen Herrn. Ihr versucht, den Gerechten an der Vollendung seines Werkes zu hindern. Es wird euch nicht gelingen. Er wird euch daran hindern.
Unterdessen hatte Nelly Pedro nach Hause begleitet. Sie wollte sehen, in welchem Umfeld Felipe landen würde, wenn auch nur für wenige Stunden, bis jemand vom Jugendamt käme, um sich seiner anzunehmen. Außerdem wollte sie Pedro und seine Mutter befragen. Einen Blick in die Wohnung werfen. Sie fuhren in die Via Sampierdarena, die am Rand des gleichnamigen Bezirkes lag, und hielten vor einem Mietshaus, das zweifellos bessere Zeiten gesehen hatte. Ringsherum Werkstätten und Lagerhallen, doch war das Viertel alles andere als heruntergekommen: Hier, ein wenig abseits vom Verkehrslärm, der von der
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