Das boese Blut der Donna Luna
Untersuchungsgeheimnis unterlagen), um sich dann erschöpft gegen die Rückenlehne fallen zu lassen und vergeblich auf einen Kommentar zu warten. Endlich gab sich der Priester einen Ruck. Er sah ihr direkt in die Augen und ließ die Bombe platzen.
»Ich kannte alle Mädchen. Alle.« Er setzte sich auf, um die Reaktion der Kommissarin parieren zu können.
Du kanntest sie alle? Und das sagst du mir einfach so?
»O Scheiße«, entfuhr es Nelly, doch Don Silvano schien davon keine Notiz zu nehmen. Ehe sie noch etwas sagen konnte, redete er weiter.
»Ja, ich hatte zu unterschiedlichen Zeiten mit ihnen zu tun, mit manchen zur gleichen Zeit, aber ich habe sie alle gekannt, wenn auch nur oberflächlich. Ermelinda und Dolores kannte ich ein bisschen näher, zwei großartige Frauen. Wir haben ihnen mehrmals unter die Arme gegriffen. Leider haben sie sich von dieser Bergonzi und ihrem Verein bezirzen lassen. Sie sagten mir eben, Nelly, Sie hätten sie bereits kennengelernt, nicht wahr?«
»Ja, heute Morgen.«
»Signora Bergonzi und ihre Freundinnen haben eine ziemlich zweifelhafte Hilfsorganisation ins Leben gerufen. Ich weiß, es ist nicht besonders christlich von mir, so zu urteilen, aber ich bin der Meinung, sie tun damit vor allem sich selbst Gutes. Vielleicht ja sogar in gutem Glauben. Fakt ist, sie beschaffen sich billige Arbeitskräfte und vermitteln sie an Leute aus ihren Kreisen. Köche, Zimmermädchen, Kinderfrauen, Gärtner und vor allem Pflegerinnen, die so gut wie keine Freizeit haben. Sie melden sie an, und auf den ersten Blick ist alles legal und in Ordnung. Ich habe mich oft gefragt, ob ich da irgendwie eingreifen soll, aber ...«, er machte eine vage Handbewegung, »vielleicht wäre mir das als Konkurrenzverhalten ausgelegt worden, ein Begriff, der so gar nicht zum Konzept der Wohltätigkeit passt. Kurzum, ich glaube nicht, dass sie Böses tun, aber sie nutzen die Bedürftigkeit anderer zu ihrem Vorteil aus. Und letztlich gibt es viel Schlimmeres, als ausgenutzt zu werden. Sie haben Lena kennengelernt, nicht wahr? Und kennen Sie Balmir?«
Die Befangenheit, die Nelly manchmal in Don Silvanos Gegenwart befiel, war kalter Wut gewichen.
»Sie kannten also auch Lena und Samira. Woher?«
»Um ihren Fall habe ich mich nicht persönlich gekümmert, sondern ...« Er öffnete eine Datei im Computer und suchte kurz. »Da haben wir’s: sondern vor allem Chicco. Federico Manara.«
»Der da wäre?«
»Einer meiner besten Mitarbeiter, ein Freiwilliger, der sich unserer schwierigsten Fälle annimmt. Er ist Anwalt, widmet sich jedoch hauptsächlich dieser verdienstvollen Arbeit und gibt uns kostenlosen Rechtsbeistand. Leider ist er heute nicht hier. Er hat seine Kanzlei in der Via XX Settembre, zusammen mit seinem inzwischen sehr alten Vater und dem Bruder. Allesamt gute Christen.«
»Sie wissen nicht, weshalb er sich der Fälle von Lena und Samira angenommen hat? Und wie die Sache ausgegangen ist?«
»Leider kann ich mich nicht um jeden Fall persönlich kümmern, das ist einfach unmöglich. Aber Chicco hilft Ihnen sicher weiter. Hier steht außerdem ... äh, dass Samira aus dem Milieu rauswollte, Lena schließlich auch, das war vor ungefähr einem Jahr, aber warum daraus nichts wurde, ist hier nicht ersichtlich.«
So wie sie Balmir kannte, konnte sich Nelly denken, weshalb daraus nichts geworden war, aber sie schwieg. Stattdessen fragte sie den Pater, wie er Paulette und Malina kennengelernt hatte. Weil sie katholisch waren, lautete die Antwort, und Paulette war ihm von einem französischen Ordensbruder anempfohlen worden, dem er vor Jahren im Senegal begegnet war. Paulette wollte eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, um arbeiten zu können, und Malina wollte ihre zweijährige Tochter und den fünfjährigen Sohn nach Italien holen. Leider war die Sache nicht gut ausgegangen, doch gerade als die beiden Mädchen ermordet wurden, sollte das Verfahren in die Berufung gehen. Jetzt war es natürlich geschlossen. Giuliano Zanni hatte sich darum gekümmert, ein junger Jurist, der seinen Zivildienst beim Verein gemacht hatte und nun als Federico Manaras Assistent arbeitete. War er da? Ja, er war da. Doch vorher wollte Nelly noch Don Silvanos Meinung hören.
»Wie alle Bürger bin ich über diese bestialischen Verbrechen entsetzt und empört ... Sosehr ich mir darüber auch den Kopf zerbreche, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer so etwas Grauenvolles tun könnte, sonst hätte ich Sie angerufen, glauben Sie mir. Wer
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