Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
vom Geruch nach Fisch, Feuer und Knoblauch. Mein Gericht war in ein paar Minuten vorbereitet und musste dann stundenlang köcheln. Ich stand am Herd und rührte gelegentlich und halb in Trance im Topf. Draußen war es dunkel, der Samstagnachmittag wurde langsam zum Samstagabend, die Tagebücher waren irgendwo im Haus, und ich hatte sie immer noch nicht gefunden. Sie mussten in einem der unauffindbaren, staubigen W inkel der Scheune liegen, vielleicht in der Garage oder in einer schmutzigen Ecke in der Küche oder im Lagerschuppen. Jede Minute, die verstrich, war eine Minute weniger, die ich mit den Büchern verbringen könnte. W enn ich sie gefunden hätte, würde ich mehr als nur einen Augenblick brauchen. Ich würde sie öffnen müssen– jetzt hatte ich allerdings keine Hemmungen mehr, die Schlösser aufzubrechen, um Zeit zu sparen–, aber dann würde ich eine unbekannte Anzahl von Bänden überfliegen müssen, bevor ich meinen V ortrag präparierte, und bei alldem durfte ich nicht entdeckt werden. Aber wie sollte ich– ohne gleich Rowan zu fragen– herausfinden, wo sie waren? V on der Hitze und dem Stress wurde mir schwindlig, und als W ill anfing, sein neues kulinarisches Spielzeug zu testen, wurde die Luft so unerträglich heiß und trocken, dass ich aus der Küche flüchten musste.
Im ersten Augenblick war die frische Luft draußen erholsam, aber dann wurde der Schweiß auf meiner Haut unangenehm kalt. Ich wanderte hinüber zu den Überresten des Guy-Fawkes-Feuers, nahm die große Eisenstange, die Rowan als Schürhaken benutzt hatte, und stocherte in der Asche herum. V on dem, was in unserem großen Feuer gebrannt hatte, war fast nichts mehr übrig: ein Reißverschluss, ein paar Stränge aus geschmolzenem weißem Plastik, ein kleiner Steinkreis, der das Feuer markierte, das Rowan am Abend unserer Ankunft angezündet hatte. Ich harkte die Asche dort zur Seite und strich mit der Spitze der Eisenstange über die Steine. Das mineralische Klicken von Eisen an Stein hörte sich angenehm an. Ich rührte in der Asche. Es sah aus, als sei der Boden unter der Feuerstelle mit einem stumpfen Metall gefliest. Ich beugte mich vor und blinzelte durch die Aschewolken. Als ich sah, was ich da freigelegt hatte, machte ich einen Satz rückwärts, als hätte ich mich verbrannt.
Sie waren glanzlos und verfärbt vom Feuer, aber die Form hatte sich nicht verändert. Ein paar Dutzend kleine Schlösser, allesamt aufgebrochen. Hier lag alles, was von Lydia MacBrides Tagebüchern noch übrig war. Jahrelang war mir abwechselnd heiß und kalt gewesen, ich war hin- und hergerissen zwischen Zuversicht und Zweifel im Gedanken an diese Bücher– und hier hatte ich die letzte Bestätigung: W as sie enthalten hatten, war so belastend, so verstörend gewesen, dass Rowan sie alle verbrannt und sich dann bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte.
Kleine elektrische Entladungen knisterten in meinem Schädel und in meiner Magengrube. Ich fühlte mich durch und durch ausgedörrt, als hätte ich kein W asser mehr im Körper, als leckte eine wütende Feuerkugel an der Innenseite meiner Haut. Meine Augen waren noch trockener als mein Mund, und jeder Lidschlag scheuerte an den Augäpfeln. Tränen hätten jetzt gutgetan, aber dazu war es zu spät. Die einzige W affe, die ich noch hatte, war meine– und Kerrys– Identität, und was waren wir– wer war ich– ohne den Kontext von Lydias Geständnis?
Sogar mein Selbstgefühl schien zu zersplittern, und Scherben des Jungen, der ich gewesen war, durchbohrten den Mann, den ich geschaffen hatte, sodass ich nicht mehr wusste, wer hier die Zügel in der Hand hatte, Darcy oder Matt.
Beim Abendessen muss ich wohl eine halbe Stunde lang auf demselben Tintenfischring herumgekaut haben. Ausnahmsweise war ich froh über ihre Gewohnheit, im Rudel ihren Erinnerungen nachzugehen; ich war froh, dass niemand mich einbezog, als sie über Kindheitsferien redeten, über die Zeit, die sie mit ihrer Mutter verbracht hatten und den stetigen Prozess ihrer Heiligsprechung mit langsamen Schritten voranbrachten.
Ich hatte nur Augen für Rowan. Immer wenn der Name seiner Frau erwähnt wurde, flackerte Unbehagen über seine Züge, und ich wusste , er kannte ihr unerreichbares Geheimnis. Sein gesprochenes W ort wäre für mich jetzt der einzige Ersatz für ihr geschriebenes. Tatsächlich wäre es sogar besser , denn ich wusste, wie sehr es ihn schmerzen und demütigen würde, seinen Kindern die W ahrheit zu offenbaren. Je
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