Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
Führerschein auf und las die erste Zeile noch einmal. Und was sie sah, ließ einen eiskalten Schauder über ihren Rücken rieseln.
Der gedruckte Name war einer aus der Vergangenheit ihrer Familie, und sie hatte gehofft, ihn niemals wieder zu sehen. Sie hatte keine Ahnung, was er in diesem Zusammenhang zu bedeuten hatte, aber ein Zufall konnte es nicht sein. Der Name Kellaway ließ eine Schranke vor der Möglichkeit von Zufall und Spontaneität herunter und riss die Tore zu Vorbedacht und Gewalt weit auf.
Jetzt, da Lydia tot war, gab es in der Familie nur noch eine weitere Person, der dieser Name etwas bedeutete. Sophie umklammerte den schrecklichen Hinweis mit schweißfeuchten Fingern und ging die Treppe hinunter, um ihn ihrem Vater zu zeigen.
DARCY
ZWÖLF
Meine Mutter hatte nur wenige Habseligkeiten: die Bücher, eine spärliche Garderobe, die wir miteinander teilten, und einen Satz russischer Matroschka-Puppen– die einzigen Überbleibsel aus ihrer Kindheit, aus ihrem halben Leben vor mir. Die Puppen wohnten auf dem Kaminsims auf dem Platz, auf dem normale Leute ihre Familienfotos aufstellen. Ich bezweifle, dass sie irgendetwas wert waren, aber lackiert in ihren Schmuckkastenfarben erschienen sie mir ebenso kostbar wie nur irgendein silbern gerahmtes Familienerbstück. Ich liebte ihren Detailreichtum, die winzigen Pinselstriche im Brokat ihrer Schals, die einzelnen Wimpern und die kleinen wirbelnden Blumen an ihren Kopftüchern.
Sie waren zum Anschauen, nicht zum Spielen. Ich habe nie gesehen, dass meine Mutter sie anrührte, aber sie muss es getan haben, denn ab und zu änderte sich ihre Anordnung. Meistens standen sie nach der Größe geordnet in absteigender Reihenfolge, die breithüftige Mutterpuppe links und das winzige kegelförmige Baby ganz rechts. Der Blick ihrer Augen war ganz leicht zur Seite gerichtet, sodass jede Matroschka in dieser Aufstellung aussah, als lächle sie ihrem kleineren Ich seitwärts zu.
In meiner Erinnerung stehen sie aber nicht in einer Reihe, sondern ineinandergestapelt, sieben separate, aber identische Einheiten. So stelle ich sie mir nicht vor, weil ich sie so zuletzt gesehen habe, sondern weil etwas an dieser Formation mir etwas über mich selbst sagt. Die äußere Hülle enthält alle die, die ich je gewesen bin, eine Serie von Identitäten, die sich jeweils in den Augenblicken gebildet haben, als das Leben ohne eigenes Zutun unerträglich geworden war und ich es hatte abschließen müssen, um von Neuem anzufangen und die nächste in der Abfolge meiner Identitäten anzunehmen. Hinter dem blank polierten Äußeren, das ich der Welt heute präsentiere, verbirgt sich die Hülse meines zwanzigjährigen Ich, meines siebzehn-, meines vierzehn- und natürlich meines zwölfjährigen Ich, das sich um die Aufnahme an der Saxby Cathedral School bewarb und der Familie MacBride zum ersten Mal begegnete.
Die Schule war und ist in der Umgebung als Cath bekannt. Sie verkörpert eine seltsame Mischung aus traditionellen und progressiven Einstellungen: Sie verlangt Schulgeld, wirbt aber großflächig mit Stipendien, es gibt Schuluniformen und Koedukation, und hinter den vierhundert Jahre alten Mauern findet man Versuchsräume für Physik und Computereinheiten, wie man sie an einer Universität erwarten könnte. Sie hatte in unserem Leben immer eine herausragende Rolle gespielt, ganz so wie ihre Gebäude, ihr Grundbesitz und die Kathedrale, der sie den Namen verdankte, das Städtchen beherrschten. Saxby hat Stadtrechte, aber es ist eine der kleinsten Städte in England, umschlungen von einer Ringstraße, über die sie damals noch nicht hinausgewachsen war, einer modernen Version der alten Stadtmauern, die noch hier und da erhalten geblieben sind, Brocken von mittelalterlichem Mauerwerk zwischen Carphone Warehouse und Starbucks.
Meine Mutter liebte das Viertel um die Schule. Die endlosen schräg geneigten Rasenflächen, die gleichförmigen, wabensteinverkleideten Gebäude und die uralte Schularchitektur mit ihren verborgenen Innenhöfen und Bogengängen erinnerten sie an den Ort, an dem sie erst die glücklichste und später die unglücklichste Zeit ihres Lebens verbracht hatte. Der Glockenschlag der Kathedrale war Schlaflied und Wecker für mich. Ich kann mich erinnern, wie ich an ihrer Hand außen um die Mauern der Schule herumging, und der Unterschied zwischen der Größe unserer Schritte und die Tatsache, dass wir draußen unterwegs waren, lässt darauf schließen, dass ich da noch
Weitere Kostenlose Bücher