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Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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nach Geschäftigkeit, Zielstrebigkeit und körperlicher Erschöpfung.
    Anfangs befürchtete ich, meine Unerfahrenheit könnte sich zu meinem Nachteil auswirken. Die Welt des Angestelltendaseins war mir so fremd, wie sie es für meine Mutter gewesen war, die natürlich in ihrem ganzen Leben nicht einen einzigen Tag für Geld gearbeitet hatte. Ich hatte nur eine Befähigung, nämlich die, zu unterrichten und das Wissen lebendig zu erhalten, das sie an mich weitergegeben hatte. Aber natürlich hatte ich genug vom System mitbekommen, um zu wissen, dass alle meine Kenntnisse ohne Qualifikation nutzlos waren.
    Tatsächlich traf das Gegenteil zu. In mir hatten die Ambitionen und Fähigkeiten eines Erwachsenen geglüht und waren desto stärker geworden, je mehr ich sie um der Bedürfnisse meiner Mutter willen unterdrückt hatte. Wer hätte gedacht, dass ich imstande war, durch die Straßen zu wandern, bis ich eine Arbeitsvermittlung fand– bewaffnet nur mit meinem Namen und meiner Versicherungsnummer? Ich füllte ein Formular mit Kästchen aus, in die ich meine Abschlüsse eintragen musste, wie sie nach den scheuklappenbewehrten Parametern der Prüfungsausschüsse bewertet wurden. Die Leerstellen in meiner Ausbildungslaufbahn machten mir zum ersten Mal wirklich klar, wie schlecht ich für das Überleben vorbereitet war. Nicht Leben hatte sie mir beigebracht, nur Wissen, aber das konnte ich ihr nicht verdenken. Etwas anderes hatte sie auch nicht gekannt.
    Die hübsche Frau hinter dem Schreibtisch musterte mich eine volle Minute lang von Kopf bis Fuß. Eine Sekunde zu lang verweilte ihr Blick auf meinen Zähnen, bevor sie erklärte, ein Job mit Publikumsverkehr sei wohl nicht das Richtige für mich und die Gastronomie sei wohl die am besten geeignete Branche für einen Versuch. Ich verließ die Agentur mit einem Null-Stunden-Vertrag als Hilfskoch in einem französischen Restaurant am Ealing Green.
    Die Aufgaben eines Hilfskochs umfassten Schnippeln, Rühren und Putzen, und außerdem musste ich rohes Fleisch mit bloßen Händen durch eine dampfende, lärmende, von heißen Leibern wimmelnde Küche schleppen. Niemand sonst in dieser Küche sprach Englisch als Muttersprache, und dafür war ich dankbar. Ich ertrank in der viel zu großen, formlosen weißen Kochjacke, ich war unsichtbar, und man sprach nur in Einwortsätzen mit mir. Nachdem ich sechs Tage lang in Vierzehnstunden-Schichten gearbeitet hatte, bekam ich einen Tag frei. Müßiggang war gefährlich; auch wenn ich mich ständig beschäftigte, gab es jeden Tag Augenblicke, die ich nicht unter Kontrolle hatte, wie zum Beispiel die Sekunden zwischen dem Aufwachen und dem Öffnen der Augen, in denen der Verlust mich mit seiner ganzen Wucht überrollte.
    Ich fuhr mit der U-Bahn zur Oxford Street und schob mich durch das Gedränge, um die ersten nagelneuen Kleidungsstücke meines Lebens zu kaufen. Ich ließ mir in einem richtigen Frisiersalon die Haare waschen, schneiden und föhnen. Ich war noch immer nicht das, was irgendjemand als gut aussehend bezeichnet hätte, aber wenn ich daran dachte, den Mund geschlossen zu halten, konnte ich mittlerweile so etwas wie eine neutrale Erscheinung präsentieren. Jedes Mal, wenn ich etwas für mein Äußeres tat, achtete ich wachsam auf irgendwelche inneren Veränderungen, auf die ersten Anzeichen einer charakterlichen oder intellektuellen Atrophie. Ich spürte, dass sich etwas regte, aber es fühlte sich nicht an wie der Niedergang. Ich kaufte mir ein Anzeigenmagazin, ein London A – Z sowie ein Handy und fing an, mir eine neue Bleibe zu suchen. Ich sah mir ein halbes Dutzend Einzimmerapartments in Hanwell und Isleworth an, lauter Variationen auf das Thema meiner Kindheitswohnung. Keins davon war schön, die Hälfte war bezahlbar, alle waren akzeptabel, aber Vermieter und Makler wollten Referenzen, Bankauszüge, Kreditauskünfte. Um mich zu empfehlen, hatte ich nur eine rührselige Geschichte und einen Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung vorzuweisen.
    Die siebte Adresse auf meiner Liste war ein großes viktorianisches Haus in einer ruhigen Straße in Ealing, einem Park mit einem Bowlingrasen gegenüber. Ein gewaltiger Mann mit mediterranem Aussehen und australischem Akzent öffnete mir die Tür. Als wir uns die Hände reichten, verschwand meine wie die eines Kindes in seiner.
    » Ich bin Vassos«, sagte er und deutete auf eine kleine braune Frau hinter ihm, » und das ist Carmel. Komm rein.«
    Das Haus sah aus wie ein Zoo: ein

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