Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
Zebrateppich, Kissen mit Leopardenmuster und ein Dschungel von Pflanzen in großen Steingutkübeln. Überall war Leder– das Sofa, die Sessel, das Bett–, sogar eine ganze Wand im Wohnzimmer war gepolstert, mit Leder überzogen und mit Nägeln gesteppt worden. Es sah aus wie eine unvollendete Gummizelle. Der ruhigste Raum war der, den sie als ihr Büro bezeichneten. Die einzigen Farben dort fanden sich auf einer Wand voll großformatiger Paperbacks.
» Carmel ist meine Partnerin, im Geschäft wie im Leben«, sagte Vassos und führte mich in einen verspiegelten Raum mit einem kleinen Trampolin, einem Hometrainer und einem Laufband. » Wir sind Fitnesstrainer in dem großen Tennisklub oben in Chiswick.«
Seine Schultern füllten die schmale Treppe ins Dachgeschoss aus. In dem Zimmer stand ein Doppelbett, dessen Tagesdecke mit Pfauenfedern bedruckt war. Es gab einen Widescreen-Fernseher und eine eigene Nasszelle. » Wahrscheinlich fragst du dich, warum ein so gutes Zimmer so billig ist. Die Wahrheit ist, du wirst mehr Homesitter als Mieter sein. Wir haben verrückte Arbeitszeiten, und wir sind oft weg, verdammt oft sogar– wir erweitern unseren Tätigkeitsbereich auf Bootcamps, Yoga-Freizeiten, Entgiftungskuren und so weiter–, und wir brauchen jemanden, der dafür sorgt, dass das Haus bewohnt aussieht, und sich um Misty kümmert.«
Wie aufs Stichwort kam eine scheußliche, stramme graue Katze hereinspaziert und fing an, sich um meine Beine zu winden.
» Wie süß«, sagte ich und behielt mein Schaudern für mich.
» Ah, sie mag dich, echt«, sagte Carmel. Ihr breiter irischer Akzent war ein Schock nach der satten Mahagonifarbe ihrer Haut. Als ich genauer hinschaute, sah ich weiße Flecken an der Haut zwischen den Fingern und an ihrem Haaransatz.
Wir folgten Misty nach unten. Carmel und ich tranken einen Kräutertee, Vassos einen Protein-Shake.
» Heißt du nach dem Darcy in der Fernsehserie?«, fragte Carmel.
» In dem Roman.« Sie sah mich verständnislos an. » Stolz und Vorurteil basiert auf einem Roman von Jane Austen.«
» Echt?«, sagte sie mit großen Augen. » Wusste ich nicht. Ich kenn’s nur aus dem Fernsehen.«
» Und, was sagst du?«, fragte Vassos, und irgendwie brachte er es fertig, dass es sich wie eine Drohung anhörte. Nach allem, was ich vom Londoner Wohnungsmarkt gesehen hatte, würde ich kein besseres Angebot bekommen.
» Es gefällt mir. Ich würde gern hier wohnen. Aber ich bin eben erst von zu Hause weg, nachdem ich meine Mutter verloren habe…«
» Oje«, sagte Carmel.
» …und deshalb habe ich keine Referenzen oder so was.«
Vassos machte ein ernstes Gesicht. » Tut mir leid wegen deiner Mutter, aber ich gehe ein Risiko ein, wenn ich jemanden ohne Background ins Haus nehme.« Er strich sich das Kinn. » Also. Ich bin Master Practitioner für Neurolinguistisches Programmieren. Weißt du, was das bedeutet? Das bedeutet, ich kann Leute ebenso gut lesen wie inspirieren und manipulieren, und einen Lügner erkenne ich auf zehn Schritte. Es ist so, wie wenn man seinen Instinkten vertraut, nur eben auf einem informierten Level. Und mein Bauch«, er schlug sich auf den massigen Leib, » sagt mir, du bist in Ordnung. Was meinst du, Carmel?«
» O ja«, sagte Carmel. » Super.«
» Willkommen im Irrenhaus!«, sagte Vassos.
» Danke, Vassos«, sagte ich.
» Nenn mich Vass«, sagte er. » Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Das Leben ist zu kurz für zwei Silben.«
Ich holte tief Luft. » Wenn wir schon mal dabei sind«, sagte ich, » ich bevorzuge meinen zweiten Namen, Matthew. Oder kurz Matt.«
FÜNFUNDZWANZIG
September 2001
Ich hatte den idealen Ort für mein Rebranding gefunden. Vass und Carmel waren die faszinierendsten Leute, die ich je kennengelernt hatte, wenn auch aus anderen Gründen, als sie dachten. Am Kühlschrank hatten sie Fotos von sich selbst im späten Teenageralter. Carmels jugendliche Haut hatte einen nilgrünen Teint, während Vassos mager war und knotige Knie hatte. Ihr gemeinsames Ziel war die Selbstvervollkommnung, und ihre riesige Bibliothek bestand nur aus Büchern zu diesem Thema. Es war nicht die bereichernde Literatur, die ich mit meiner Mutter gelesen hatte, ja nicht einmal die scheinheilige, vulgär-spirituelle Textgattung, die Lydia MacBride bevorzugt hatte, nein, es waren lauter Bücher, die dem Leser zeigten, wie er ein besserer Mensch wurde, und zwar auf eine quantifizierbare Weise, die der Außenwelt Resultate präsentierte. Die Autoren
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