Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
teure Schulbildung, all die Vorteile – und was hatten die Kinder der MacBrides daraus gemacht? Eine Lehrerin und ein Handwerker waren sie geworden, und Sophie, die gescheiteste von ihnen, war kaum mehr als eine Zuchtstute. Wie konnten sie es wagen , ihre Privilegien zu verschleudern? Wussten sie denn nicht, was manche Leute für eine solche Ausbildung gegeben hätten?
Eines Tages im September postete Tara ein Foto von Sophies beiden Ältesten, Toby und Leo. Sie standen in ihren grasgrünen Uniformen vor dem Schultor– lauter Zähne und Apfelbäckchen. Ich vergrößerte das Bild und starrte es an, bis die lächelnden Gesichter zu einem höhnischen Gelächter zerflossen, das sich genauso anhörte wie Tara und Felix vor all den Jahren. Es hallte in meinen Ohren wider, bis es war, als komme es von außen. Ich schlug den Laptop zu.
Als ich es über mich brachte, ihn wieder zu öffnen, legte ich eine neue Datei an und machte eine Liste von allen Details, die ich zusammenbekam. Namen, Alter, Adressen– soweit ich sie finden konnte–, Berufe, Gewohnheiten, Schwächen. Ich schrieb alles in ein Spreadsheet, ganz so, wie ich vor Jahren die Eintragungen aus ihrem Jahresplaner abgeschrieben und mit der Hand zusammengestellt hatte.
Im darauffolgenden Januar kaufte Rory Allen, ein rüpelhafter, unflätig redender Hotelier aus Dublin und ein guter Kunde von mir, zehn Meilen weit außerhalb von Saxby ein altes jakobäisches Landhaus, um es zu einer Gesundheitsfarm umzubauen. Er wollte es mir zeigen– aus Angeberei, aber auch, um mich als Partner zu gewinnen, vermutete ich. Ich zögerte. Natürlich hatte ich vorgehabt, eines Tages in diese Gegend zurückzukehren, aber jetzt wurde ich gezwungen, mich zu entscheiden, bevor ich dazu bereit war. War ich schon stark genug? War ich reich genug? Das Gewicht meiner Brieftasche spendete nicht den gewohnten Trost. Aber Rory drängte mir eine Einladung nach der anderen auf, und er war ein zu wichtiger Kontakt, als dass ich hätte ablehnen können.
Als ich über die Anhöhe kam, die Saxby vor dem Rest der Welt verbarg, sah ich überrascht, wie klein der Ort geworden war. Wie hatte ein so winziges Kaff meinen ganzen Ehrgeiz enthalten können? Eine kleine Ausbuchtung von Häusern war außerhalb der Ringstraße entstanden. Ich erinnerte mich an Lydias Kampagne gegen die Stadterweiterung, und ich hätte über diesen schändlichen Anblick nicht entzückter sein können, wenn ich die Mauern selbst errichtet hätte. Ich fuhr im halbkreisförmigen Bogen um die Stadt herum und weiter in die Landschaft dahinter.
Das Landhaushotel hatte Potenzial, und mit Freuden schüttelte ich Rorys fette Hand und einigte mich mit ihm. Der Berufsverkehr hatte eingesetzt, als ich in meinen Wagen stieg. In den Verkehrshinweisen hieß es, die Ringstraße um Saxby sei durch einen Unfall blockiert, und man riet den Autofahrern, die an der Stadt vorbeifahren wollten, den Weg mitten hindurch zu nehmen. Cathedral Terrace war nicht mehr zu umgehen. Die Fernhalteverfügung gegen mich war längst erloschen, aber mit jeder Umdrehung der Räder spannten sich meine Nerven ein wenig straffer und drohten bald zu zerreißen. Im zäh fließenden Verkehr konnte ich sehen, dass die Einfahrt voller Autos war und in allen Zimmern Licht brannte. Aber die Gestalten in den Fenstern konnte ich nicht identifizieren. Die Jahre schmolzen dahin, und ich fühlte mich wieder so jung, dass ich bezweifelte, schon am Steuer sitzen zu dürfen. Der Singsang setzte ein, der seit Jahren verstummt war: Muttermuttermuttermuttermutter. Meine Handflächen wurden schweißnass, und ich konnte das Lenkrad kaum halten. Ich war erleichtert, als der Stau sich auflöste und ich die Terrace hinter mir lassen und auf die Kathedrale zufahren konnte. Von Neuem trat mir der Schweiß auf die Stirn, als es so aussah, als werde der Weg mich durch die Old Saxby Road führen, aber zum Glück zwang mich ein neues Einbahnstraßensystem, eine Parallelstraße zu nehmen.
Danach wurde es leichter, wie es nach dem ersten Mal immer geschieht. Ich hätte sowieso zurückkommen müssen, denn Rory wollte, dass ich mich auch mit der Inneneinrichtung befasste, statt nur seine Fitnessabteilung auszustatten. So kam ich ein oder zwei Mal im Monat her, und bis das Landhaus bewohnbar war, stieg ich im Travelodge an der Autobahn ab. Von der Lage abgesehen unterschied es sich nur wenig von dem, in dem ich in den ersten paar Tagen nach meinem Weggang aus Saxby übernachtet hatte. Die Fahrt
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