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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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gegen das Kloster vorzurücken.
    Die ferne Artillerieschlacht dauerte den ganzen Nachmittag an und schien sich langsam San Angel zu nähern. Jetzt ging die Sonne in einem purpurroten Tumult hinter Gewitterwolken unter, die sich schieferschwarz auftürmten. Wetterleuchten blitzte geisterhaft bleich in den Bergen. Die Lagerfrauen bereiteten ein Abendessen aus würzigem Lammeintopf, Bohnen und Tortillas vor, und die San Patricios stürzten sich darauf. Sie hatten gerade fertig gegessen, als der Lärm der Artillerie plötzlich verstummte. Die Armeekapelle hatte vorher schon ihr Geschmetter eingestellt, und jetzt wehten leise Gitarrenklänge durch das Kloster. Viele der mexikanischen Soldaten waren in Begleitung ihrer Frauen und schmiegten sich im Schatten an sie.
    Jetzt senkte sich die Nacht vollständig über das Land. Der Himmel war finster von dahinjagenden Wolken, und ein Wind kam auf, der stark nach einem nahenden Gewitter roch. Donner rollte in einem langen wogenden Krachen über das Tal, und jeder Schlag war lauter als der vorherige. Windböen schüttelten die Bäume und Sträucher. Plötzlich leuchtete das Kloster in blassblauem Licht auf, gefolgt von einem markerschütternden Donnerschlag, der John zusammenzucken und Lucas juchzen ließ, und dann öffnete sich der Himmel und der Regen prasselte herunter.
    6 Nach Mitternacht flaute der Wind schließlich ab, und der Regen wurde zu einem Nieseln, hörte aber erst kurz vor Sonnenaufgang ganz auf. Der Morgen war feucht und kühl, gewürzt mit den Gerüchen des fruchtbaren Marschlandes. Der Himmel rötete sich über den Bergen im Osten. Als die Sonne über die Gipfel stieg, begannen wieder die Schlachtgeräusche im fernen Südwesten.
    John und Lucas standen am Steingeländer des Turmlaufganges und schlürften Kaffee, während sie die ferne Anhöhe der Coyoacán-Straße absuchten, wo die mexikanischen Ausgucker postiert waren. Sie waren als winzige Gestalten zu sehen, die ein weiteres Mal zusammengedrängt auf der Straße standen und nach Süden schauten. Jetzt begannen einige aufgeregt zu gestikulieren. Der Lärm von Artillerie und leichteren Waffen war zu hören. Riley trat neben John und richtete seinen Feldstecher auf die Coyoacán-Anhöhe. Die Ausgucker bestiegen eilig ihre Pferde, rissen die Zügel herum und jagten Richtung Kloster. Einen Moment später kam Moreno die Turmstufen zum Wehrgang heraufgerannt und spähte hinaus auf das Dutzend Reiter, die zu den Toren galoppierten und im Hof lärmend schrien: »Hay vienen! Hay vienen!«
    Sie kamen in der Tat, aber es waren noch keine Yankees. Die Männer, die da in überstürzter Flucht über die Anhöhe geritten kamen, gefolgt von Soldaten zu Fuß, waren Valencias Truppen auf dem Rückzug von San Angel. Als sie die Straße erreichten, blickten sie weder zu den Kameraden hoch, die von den Mauern zu ihnen hinunterriefen, noch zu den offenen Toren des Klosters, sondern drängten weiter bis zum Brückenkopf und suchten dort Zuflucht.
    Das Krachen amerikanischer Gewehre wurde lauter. Noch mehr Soldaten kamen galoppierend oder rennend die Straße herunter. Und jetzt wurde von der Ostmauer des Klosters »Mira! Mira!« gerufen, und die Patricios auf dem Wehrgang rannten zu dieser Seite und sahen, dass jetzt auch die San-Antonio-Straße Richtung Brücke voll war mit flüchtenden mexikanischen Soldaten.
    John und Lucas sahen sich an, und John meinte in den Augen des Alten eine Erschöpfung zu sehen, die er noch nie bemerkt hatte. Sein eigener Mund war trocken geworden. Er hätte nicht sagen können, wie viel von seiner Aufregung Angst und wie viel Erwartung war.
    Beinahe eine Stunde lang setzte sich der Rückzug der mexikanischen Soldaten auf beiden Straßen fort. Die letzten von ihnen feuerten hinter sich. Als diese Infanterie-Nachhut es zum Brückenkopf geschafft hatte, kamen die ersten Yankee-Soldaten in Sicht, eine Kompanie Dragoner. Sie ritten zum Damm hinauf und hielten dort. Während sie die Straße vor sich auskundschafteten, eröffneten alle drei Geschütze am Brückenkopf das Feuer auf sie.
    Die Yankees machten auf dem schmalen Damm hastig kehrt und galoppierten alle dahin zurück, woher sie gekommen waren, einige wurden zu beiden Seiten von der Straße in den wässrigen Matsch gedrängt. Zwei der Kanonenkugeln waren massive Munition und landeten hoch aufspritzend im Marschwasser neben der Straße, doch die andere war ein Sprenggeschoss, das auf der Dammböschung explodierte und zwei Pferde und ihre Reiter traf.

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