Das Böse in dir
was ich dem schwerreichen Nicholas Black zu Weihnachten schenken sollte. Also mochte ich sie wirklich. Sie hatte mich auch bei der Auswahl eines Buches für Bud beraten. Eine ihrer ehemaligen Kolleginnen namens Sherry handelte inzwischen mit wirklich tollem Schmuck, eine Marke, die Lia Sophia hieß. Heute hatte Sarah ein wunderschönes filigranes Kreuz mit Kristallen an einem dünnen braunen Lederband um den Hals. Vielleicht sollte ich Black einen kleinen Tipp in Sachen Lia Sophia für meinen Geburtstag geben. Nicht, dass ich je Schmuck trug, bis auf die Medaille mit dem heiligen Michael, die er mir vor langer Zeit geschenkt hat. Die habe ich inzwischen immer bei mir, weil der heilige Michael der Schutzpatron der Polizisten ist und vermutlich Glück bringt, was ich, wie ich inzwischen glaube, jeden Tag tonnenweise brauche. Gut, ich gebe es zu, ich werde allmählich abergläubisch, ganz zu schweigen von paranoid. Doch wer nur einmal einen Monat lang mein Leben geführt hat, würde sich auch mit allem bewaffnen, was ihm in die Hände fällt.
Endlich war Sarah mit dem Britney-Klon fertig und hatte Zeit für mich. »Wie hat Ihrem Partner denn das Buch über die Herkunft von Sprichwörtern gefallen?«
»Er fand es prima. Seitdem redet er über nichts anderes mehr. Und Black hat sich auch sehr über das individuell gebundene Buch über die Bayous von Louisiana gefreut. Der Buchbinder, den Sie mir empfohlen haben, war spitze. Black hatte so etwas noch nicht, was bei ihm das Schwierige ist, denn er besitzt alles in milliardenfacher Ausführung.«
Sie grinste breit. »Die Probleme hätte ich auch gern mal.«
»Ja, ganz Ihrer Ansicht.«
»Und was führt Sie heute zu mir? Hat Dr. Black bald Geburtstag?«
»Das dauert noch ein paar Monate. Aber dann stehe ich sofort bei Ihnen auf der Matte. Also halten Sie die Augen nach etwas offen, das ihm gefallen könnte. Leider bin ich heute dienstlich hier. Haben Sie einen Moment Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten?«
Überrascht schaute Sarah sich im Laden um. Ein einsamer Kunde stöberte in der vor Kurzem erweiterten antiquarischen Abteilung. Er trug eine hellbraune Hose und ein rotes Hemd mit Kragen und betrachtete gerade einen dicken Wälzer mit dem Titel Napoleon und Josephine. Bestimmt ein Romantiker.
»Bis wir zumachen, ist sicher nicht mehr viel los. Was gibt es denn?«, erwiderte Sarah.
»Kennen Sie zufällig einen Mann namens Michael Murphy? Seine Freunde nennen ihn Mikey.«
»Der Typ von der Pizzeria ein paar Türen weiter? Klar, den seh ich immer wieder mal. Er war auch schon öfter hier und hat ein paar New-Age-Bücher gekauft. Außerdem interessiert er sich für den Orient. Offenbar liest er gerne solche Sachen. Er mag auch indische Musik, Sie wissen schon, Flöten und so. Und er trägt viel Perlenschmuck. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich ihn besser kenne. Warum? Was ist denn mit ihm los?«
Sarahs einziger Kunde saß inzwischen an einem der Tische und blätterte in seinem französischen Liebesroman, weshalb ich die Stimme senkte. »In seinem Lokal ist ein Verbrechen geschehen. Mehr darf ich dazu leider nicht sagen, tut mir leid.«
Ihre Neugier wich einem ängstlichen Blick. »Oh, nein, hat es hier einen Einbruch gegeben?«, flüsterte sie. »Ich hatte in letzter Zeit so ein komisches Gefühl.«
Ich merkte auf. »Komisches Gefühl? Warum? Haben Sie etwas Seltsames beobachtet?«
»Äh, ich weiß nicht so recht. So ein Gefühl eben. Vielleicht deshalb, weil ich spätabends oft allein den Laden abschließe. Manchmal macht es mir ein bisschen Angst, wenn ich nach neun hier die Einzige bin. Wahrscheinlich ist das übertrieben, denn schließlich kommt jeden Abend ein Wachmann und kontrolliert alle Läden. Carman fürchtet sich auch, wenn sie zusperren muss.«
Carman war die andere Inhaberin, eine sympathische Frau mit braunen Locken und einer freundlichen Art. Die beiden würden einen ziemlichen Schreck bekommen, wenn sie erfuhren, dass Mikey womöglich nur wenige Meter den Gehweg hinunter seine Freundin als gut durchgebratenes Filet Mignon zubereitet hatte. »Ich darf jetzt noch nicht über Einzelheiten sprechen. Was können Sie mir sonst über Michael Murphy erzählen?«
Sarah schüttelte den Kopf, betastete nervös das Kreuz an ihrem Hals und sah den Mann im roten Hemd an, als könne er jeden Moment herumwirbeln und uns mit der Pistole bedrohen. Ich machte ihr keinen Vorwurf daraus. Schließlich ging es mir genauso. Ich war nur besser daran
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