Das Böse in dir
ihr?«
»Ich will nicht mehr darüber sprechen.«
»Okay, schon gut. Ich wollte nur nett sein.«
Im nächsten Moment drehte Buddy sich zur Wand um und zeigte seinem neuen Mitbewohner die kalte Schulter. Also fing der Junge an, seine Sachen auszupacken und sie in den Schubladen unter seinem Bett zu verstauen. Er hätte lieber das andere Bett gehabt, weil es auf ein Fenster zeigte, vor dem einige dicke Baumäste zu sehen waren. Der Baum stand so nah am Gebäude, dass er vielleicht eine prima Möglichkeit bot, sich nötigenfalls unbemerkt zu verdrücken. Doch das war nicht weiter schlimm. Vermutlich würde er Buddy bald überredet haben, sein Bett aufzugeben. Buddy schien ein Waschlappen und Feigling zu sein. Jetzt weinte er sogar und versuchte, es zu verheimlichen, indem er in sein Kissen hineinschluchzte. Herrje, was für ein Weichei. Und dabei hatte er ihm noch nicht einmal erzählt, woran seine Schwester gestorben war. Manche Leute hatten einfach kein Rückgrat. Der Junge fragte sich, was wohl hinter dem Tod von Buddys Schwester steckte. Es musste ziemlich horrormäßig gewesen sein, sogar noch schlimmer als Lylas Schicksal. Er konnte es kaum erwarten, alles zu erfahren. Vielleicht würde ja in den bescheuerten Gruppentherapiesitzungen, an denen sie teilnehmen mussten, etwas ans Licht kommen.
»Hey, Buddy. Ich habe eine Schachtel Schoko-Kirschen da. Magst du welche?«
Der Junge wartete ab. Er wusste, dass Buddy zugreifen würde. Er hatte nämlich einen kleinen Bauchansatz. Deshalb war er bereits zu dem Schluss gekommen, dass der Weg zu Buddys Herzen durch seinen Magen führte, und es dauerte keine zwei Minuten, bis sich seine Theorie bestätigte.
Buddy wälzte sich herum, legte sich auf die Seite und blickte den Jungen an. Seine Augen waren feucht und gerötet. »Ich steh total auf die Dinger.«
»Ich auch. Hier, nimm eins, dann fühlst du dich gleich besser. Nimm so viel, wie du willst, Buddy. Mein Dad schickt mir sofort Nachschub, wenn ich ihn darum bitte. Er hat ein echt schlechtes Gewissen, weil ich meine Mom sterben gesehen habe und so. Also bekomme ich von ihm, was ich will.«
»Mein Dad sagt nur, dass ich mit dem Rumspinnen aufhören und endlich wieder normal werden soll.«
Der Junge ging zu Buddys Bett hinüber und hielt ihm die Süßigkeiten hin. »Hier, Buddy, bedien dich.«
Buddy pflückte drei aus den Vertiefungen in der Plastikfolie, die ein Herumrollen der Kirschen verhinderten.
»Offenbar kommst du mit deinem Dad nicht gut klar, was, Buddy?«
»Nein. Er will, dass ich Football und Baseball spiele, und so. Aber mir macht das Orchester mehr Spaß. Ich spiele Rührtrommel, und zwar ziemlich gut. Aber er hat gedroht, alle würden Orchesterschwuchtel zu mir sagen, wenn ich da mitmache.«
»Und hast du es trotzdem gemacht?«
Buddy nickte. Dabei kaute er auf einer Schoko-Kirsche herum, als hätte er noch nie etwas so Leckeres gegessen. »Ja, ich bin sofort in die erste Besetzung gekommen, obwohl da noch ältere Kids waren. Unser Dirigent findet, dass ich wirklich gut bin. Er sagt, ich beherrsche die Kadenzen perfekt.«
»Und haben die anderen dich Orchesterschwuchtel genannt, wie dein Dad gedroht hat?«
»Ja.«
Er lachte über Buddys Gesichtsausdruck. Buddy wirkte ein wenig überrascht, fing dann aber auch unsicher zu grinsen an.
»Zerbrich dir nicht den Kopf über die Idioten zu Hause, Buddy. Wenn du weiterübst, kannst du irgendwann so berühmt werden wie Ringo Starr von den Beatles. Und was wird aus diesen bescheuerten Football-Spielern? Nichts. Nur dicke, fette Ex-Sportler und Verlierer, die nichts anderes können, als andere Leute herumzuschubsen, wenn der Schiedsrichter pfeift.«
Buddy setzte sich auf. Sein Lächeln war zwar noch zögerlich, wirkte aber sehr zufrieden. »Ja, das gleiche habe ich mir auch immer über die doofen Sportlertypen gedacht.«
»Hast du deinem Dad das erklärt?«
»Nein. Der hört mir sowieso nicht zu. Er war damals in unserer Highschool ein großer Star und hat viele Punkte gemacht.«
»Und was tut er heute?«
»Er ist Mechaniker in der Shell-Tankstelle bei uns zu Hause.«
»Ha, ein Mechaniker also. Wette, der wurde noch nie in die Jay -Lenno-Show eingeladen, oder?«
Buddy lachte. »Nein. Manchmal singt er Karaoke in einer Kneipe in der Fifth Street, aber er klingt miserabel. Sein Lieblingslied ist ›Born to Be Wild‹. Er hatte nicht einmal die Kohle, um mich hierher zu schicken. Oma musste bezahlen.«
»Verstehst du, was ich meine? Niemand wird
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