Das Böse in dir
verlassen hatte. Ein Stück weiter auf dem Rasen sah ich Bud, der telefonierend an einem Baum lehnte. Immer wieder stieg mir Rosenduft in die Nase, vermutlich weil Hunderte von ihnen an einem etwa zwei Meter entfernten Rankgerüst wuchsen. Außerdem gab es rings um die Picknicktische Unmengen von Blumenbeeten, Hängetöpfen und Pflanzkübeln, weshalb sich würzige Aromen und Blütengeruch mischten. Ich hoffte nur, dass ich nicht allergisch war.
Da ich sogar im Schatten heftig schwitzte, war ich erleichtert, als Happy Pete, eine eiskalte Flasche Ozarka-Wasser in der einen und Boyce Collins’ Buch in der anderen Hand, auf mich zukam. »Bitte sehr, Detective Morgan. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein, danke, alles bestens.«
»Also gut. Ich muss mich sputen. Ich komme zu spät zu einer Sitzung.«
»Danke, Pete.«
Während er sich trollte, schnupperte ich die schwer in der Luft liegenden Blumendüfte, öffnete die Flasche, trank etwas von dem eiskalten Wasser und blätterte Collins’ Buch durch, in dem es um Leuchtkästen, Schallwellen und Hypnose ging. Da mich das Fachchinesisch ziemlich langweilte, griff ich zum Telefon, um Black anzurufen. Wahrscheinlich würde er mir alles in höchstens zwei Minuten erklären und mich von meinen Qualen erlösen können.
Gut, inzwischen wurden die Gerüche, die auf mich einstürmten, aufdringlich, um nicht zu sagen brechreizerzeugend. Allmählich fragte ich mich, ob ich mich womöglich einer experimentellen Aromatherapie für die armen gefährdeten Teenies aussetzte, die hier herumlungerten, vermutlich ebenfalls, ohne Verdacht zu schöpfen. Hoffentlich atmete ich dabei keine wirksamen Substanzen oder gar Allergene ein. Während das Telefon durchläutete, ließ ich den Blick über die Rasenfläche schweifen und hielt Ausschau nach versteckten Wanzen oder auf mich gerichtete Überwachungskameras. In diesem Laden gab es mehr Kameras als in einer Reality-Show auf CBS, mit Ausnahme von Big Brother vielleicht. Langsam bezweifelte ich, dass man es hier mit der Privatsphäre der Patienten so genau nahm.
Endlich ging Black ans Telefon. »Hallo, Liebling«, meldete er sich. »Lässt man dich nicht weg? Und da ich dich kenne, meine ich das wörtlich.«
»Was soll das heißen?«
»Wir waren zu einem späten Frühstück bei mir verabredet, bevor ich losmuss. Schon vergessen?«
Mist. »O ja, tut mir leid, da ist etwas dazwischengekommen.«
»Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber du hast nicht abgenommen.«
»Ich war in Jefferson City, um den Eltern die Nachricht zu überbringen, und konnte deshalb nicht rangehen. Ich wollte dich so bald wie möglich anrufen.«
»Darf ich es wagen, dich zu fragen, wo du bist?«
»Oak Haven Clinic. Ich schnuppere gerade an Millionen von Zinnien.«
»Ernsthaft?«
»Die Klinik oder die Blumen?«
»Komm schon, Claire.«
»Wir haben heute Morgen Dr. Young befragt. Jetzt befassen wir uns mit einigen der Patienten. Wo bist du?«
»Irgendwo über Ohio.«
»Oh, ach übrigens, was weißt du über Leuchtkästen, Schallwellen und dieses Hypnotherapiezeug, mit dem Boyce Collins herumspielt?«
»Nicht viel. Das ist alles hoch experimentell. Ich habe einige Artikel darüber in psychiatrischen Fachzeitschriften gelesen. Er hat gerade ein Buch darüber herausgebracht.«
»Ja, ich habe es gerade in der Hand. Was meinst du? Funktioniert das?«
»Vielleicht. Manchmal erzielt er ziemlich gute Resultate. Er ist jung und klug und mächtig auf Zack. Aber offen gestanden klingt das für mich wie ein Gimmick, um seine Bücher zu verkaufen und berühmt zu werden. Soweit ich im Bilde bin, hat Young auch seine Finger im Spiel. Die beiden schwören auf diese Methode.«
»Hey, vielleicht lasse ich Young es mal bei mir ausprobieren. Nur, um zu schauen, was passiert.«
Schweigen. Einen Moment lang. Allerdings erspürte ich schon den ersten Anflug von Missfallen. »Mit solchen Vorschlägen solltest du vorsichtig sein, Claire.«
Eigentlich war das nur ein Scherz gewesen, einer meiner seltenen und kläglichen Versuche, Heiterkeit hervorzurufen. Ich hätte nicht mit einer so ernsten Reaktion gerechnet. »Warum? Könnte er mein Gehirn in ein Marshmallow verwandeln?«
Blacks Reaktion fiel empört aus. »Sofern ich noch auf dem neuesten Stand sein sollte, bin ich dein Arzt, und ich will nicht, dass jemand anderer an deinem Kopf herumfuhrwerkt. Oder an deinem Körper.«
Ich sage doch schon immer, dass dieser Mann nur an das eine denkt. »Keine Sorge.
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