Das Böse in dir
als er wieder bei mir angelangt war. »Das solltest du eigentlich wissen.«
»Ja, ja, schon gut. Ich dachte schon, die springen mir gleich an die Gurgel. Doch ich habe mit den Kollegen eine Menge Kohle auf dieses Spiel gewettet. Diesmal gewinne ich, warts nur ab.«
»Was ist für dich eine Menge?«
»Ein Zwanziger.«
Wir fuhren in einem von Handabdrücken übersäten Edelstahlaufzug nach oben. Das Mädchen, mit dem wir die Kabine teilten, wurde von einer derart dichten Parfümwolke umwabert, dass ich Lust auf das Ausrotten von Fliederbüschen bekam. Sie hatte einen ovalen Weidenkorb mit ordentlich gefalteten Kleidungsstücken bei sich. Offenbar hatte hier eine Mutter ihrer Tochter Manieren beigebracht. Die meisten von uns hatten damals ihre dreckigen Sachen in großen, miefigen Reisetaschen bis zum nächsten Heimaturlaub gesammelt. So viel wusste ich noch von meinen kurzen Collegetagen an der LSU, nicht dass ich je ein richtiges Zuhause gehabt hätte, wo ich die Wäsche hätte abwerfen können. Den Großteil meiner Semesterferien verbrachte ich allein im Studentenwohnheim oder mit einigen Austauschstudenten aus Simbabwe oder Kenia. Doch das war um einiges besser als der Versuch, die Feiertagstrübnis bei meinen Pflegeeltern lebend zu überstehen.
Li He wohnte im zweiten Stock, ganz am Ende des Flurs. Es war totenstill, da die Mädchen unterwegs waren, um ihre leicht bekleideten Körper auszuführen, während die Jungens johlten und den Fernseher oder Bud anbrüllten. Nur aus einem Zimmer, an dem wir vorbeikamen, dröhnte laute Musik auf den Korridor hinaus. John Mayer, glaube ich. Was war nur aus den Ruhezeiten geworden? Vermutlich gab es sie nicht mehr. Ein Stück Geschichte. Inzwischen ging niemand mehr ans College, um richtig zu studieren. Vielleicht waren iPods ja auch heimliche Aliens und hatten den Campus übernommen.
Wohnung 315 zeigte auf die Straße, die hinter dem Wohnheim verlief. Ich konnte einen Blick auf den Hammonds Tower im Zentrum von Springfield erhaschen, der sich in all seiner schwarzfenstrigen Pracht über die Stadt erhob. Ich hatte schon immer gefunden, dass er aussah, wie ein böser Monolith aus einem Science-Fiction-Film. Und zwar wie einer von der Sorte, die sich des Verstandes der Menschen bemächtigen, wenn sie seine glatten, dunklen Wände berühren. Vielleicht tat er das ja wirklich, wer weiß? Ich hatte gehört, dass es in der obersten Etage ein superexklusives Restaurant gab, wo sich die High Society an der Salatbar labte. Angeblich kam man nur mit einem besonderen Schlüssel hinein. Noch überkandidelter ging es wohl nicht. Bestimmt standen dort auch die fiesen Schnecken auf der Speisekarte.
Bud klopfte mit dem Fingerknöchel an die Tür und pustete dann in seine Handfläche. »Riecht mein Atem eigentlich nach Zwiebeln?«, fragte er. »Harve hat Tonnen davon in seine Maisbällchen getan.«
»Wer, glaubst du, macht dir gleich die Tür auf? Charlize Theron?«
»Schön wärs.« Bud kramte ein Päckchen Juicy-Fruit-Kaugummi, sein liebstes Mittel gegen Mundgeruch, hervor, faltete einen Streifen zusammen und steckte ihn in den Mund. Das Papier verstaute er mit den restlichen Kaugummis in der Tasche seiner Jeans.
Als nach etwa fünf Minuten noch immer niemand erschien, klopfte ich wieder an, diesmal laut genug, um die Toten aufzuwecken. Kein guter Vergleich, sorry. Wir hatten zwar einen Schlüssel, wollten aber nicht in eine nicht jugendfreie Situation hineinplatzen. Auf einem College-Campus musste man immer mit dem Schlimmsten rechnen.
Während Bud sich an die Tür lehnte, betrachtete ich das Poster, das mit Reißzwecken an der Tür gegenüber befestigt war. Es war Brad Pitt in seinem kurzen Lendenschurz/Röckchen als Achilles in Troja. Offenbar wohnten hier Mädchen. Ich musste zugeben, dass er echt scharf aussah. »Brad Pitt ist aus Springfield, wusstest du das, Bud?«, sagte ich.
»Ja, hab ich irgendwo gehört. Wäre doch nett, wenn er mal mit Angelina herkommen würde. Oder noch besser, an den See. Dann könnten wir sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder Überfahrens einer roten Ampel mit dem Kinderwagen verhaften und auf dem Revier in die Mangel nehmen. Ich knöpfe mir Angelina vor, du kannst Pitt haben. Meiner Ansicht nach wird seine Optik stark überbewertet.«
»Schon gut. Erzähl das irgendeiner x-beliebigen Frau auf der Straße. Dann wirst du erst richtig Prügel beziehen.«
»Sie wurden schon in Springfield gesichtet. Es wäre also möglich.«
»Träum
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