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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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beim Arm.  "Machst mir genauso angst wie sie! Blödsinn! Bald Zeit  zum Essen. Zu Hause glauben sie schon, wir sind tot und  begraben." 
    Sie schritten nun rasch aus. Ihre Sohlen drückten das  nach Heu duftende Herbstgras nieder, die laubbestreuten  Wiesen außerhalb der Zelte. Will blickte zur Stadt, Jim  zurück zu den Zelten, zu den dunkler werdenden Fahnen,  wo die Sonne sich unter der Erde versteckte. 
    "Will, wir müssen noch einmal hin. Heute nacht..." 
    "Schön, dann gehst du allein hin." 
    Jim blieb stehen. 
    "Du läßt mich ja doch nicht allein gehen. Du bist  immer um mich herum, Will. Warum? Um mich zu  beschützen?" 
    "Als ob du Schutz brauchst!" Will lachte, aber dann  brach sein Lachen ab; denn Jim sah ihn an, und das letzte  Licht erstarb auf seinen Lippen, in seinen Nasenlöchern,  um die plötzlich tiefliegenden Augen. 
    "Du bist einfach immer bei mir, wie, Will?" 
    Jims warmer Atem traf ihn. In seinem Blut regte sich  die alte, vertraute Antwort: Ja, ja, du weißt es doch – ja! 
    Gemeinsam stolperten sie über eine riesige dunkle  Ledertasche. 

Siebzehntes Kapitel 

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    Lange Zeit standen sie über die große Ledertasche  gebeugt. Dann versetzte ihr Will fast verstohlen einen  Tritt. In ihren Eingeweiden klapperte es wie Eisen. 
    "Schau mal – die gehört dem Blitzableiterverkäufer!"  sagte Will. 
    Jim schob eine Hand ins lederne Maul und holte einen metallenen Stab heraus, bedeckt mit Chimären,  chinesischen Drachen, zähnefletschend, augenrollend,  moosgrün gepanzert, alles wirr durcheinander. Jedes  Symbol der ganzen Welt, das den Menschen Sicherheit  verlieh oder von dem man das zumindest glaubte, war  hier vertreten. Schwer von geheimnisvoller Bedeutung  lag das Ding in der Hand des Jungen. 
    "Das Gewitter ist ausgeblieben. Aber er ist fort."  "Wohin? Und warum hat er seine Tasche  zurückgelassen?" Sie blickten beide zurück zum Zirkus,  wo die Dämmerung die Zeltbahnen dunkel anmalte.  Kalte Schatten ergossen sich über die Wiese und hüllten  sie ein. Leute fuhren müde mit den Autos nach Hause.  Jungen auf Fahrrädern pfiffen hinter Hunden her. Bald  gehörte der breite Mittelweg der Nacht, und die Schatten  fuhren auf dem Riesenrad empor, um die Sterne zu  verdunkeln. Jim sagte: "Man läßt doch nicht sein ganzes  Leben so herumliegen. Das war alles, was der alte Mann  besaß. Etwas Wichtiges..." Sein Atem war wie warme  Glut. "Etwas Wichtiges muß geschehen sein, daß er sie  vergessen hat. Er ist einfach weggegangen und hat die  Tasche liegengelassen." 
    "Aber was? Was ist so wichtig, daß man alles  vergißt?" Jim betrachtete seinen Freund mit seltsamem  Ausdruck. Zwielicht umschattete sein Gesicht. "Nun, das  kann dir keiner sagen. Du mußt selbst dahinterkommen.  Geheimnisse über Geheimnisse. Ein Gewitterverkäufer.  Die Tasche eines Gewitterverkäufers. Wenn wir nicht  gleich nachsehen, erfahren wir es vielleicht nie." 
    "Jim, in zehn Minuten..." 
    "Klar. Dann ist's dunkel. Alle sind zu Hause beim  Abendessen. Nur wir nicht. Aber ist das nicht ein  herrliches Gefühl? Nur wir! Los, wir gehen wieder zurück!" 
    Als sie am Spiegelkabinett vorbeikamen, erblickten sie  zwei ganze Armeen – eine Milliarde Jims, eine Milliarde  Wills. Sie stießen zusammen, verschmolzen miteinander,  verschwanden. Und wie diese beiden Geisterarmeen, so  verschwanden auch die richtigen Menschenmengen. Die  beiden Jungen standen allein zwischen den Ufern der  Dunkelheit und dachten an all die anderen Jungen in der  Stadt, die sich jetzt in warmen, gemütlichen Häusern zum  Essen hinsetzten. 

Achtzehntes Kapitel

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    Auf dem Schild stand mit roten Lettern geschrieben:  AUSSER BETRIEB! BETRETEN VERBOTEN! 
    "Das Schild hängt schon den ganzen Tag da. Ich glaub  solchen Schildern nicht", sagte Jim. 
    Sie sahen sich das Karussell an, das versteckt unter  einem knarrenden, rüttelnden Dach windzerzauster alter  Eichen stand. Seine Pferde, Ziegen, Antilopen, Zebras,  deren Rücken von Messingspeeren durchbohrt waren,  verharrten in verkrampftem Sprung wie im Todeskampf.  Ihre verängstigten Augen erflehten Gnade, ihre vor  Entsetzen grellen Zähne verhießen blutige Rache. 
    "Sieht gar nicht kaputt aus." 
    Jim stieg über die klirrende Kette hinweg und sprang  auf die Drehscheibe, die so groß war wie der Mond,  mitten hinein zwischen die verängstigten, aber für immer  erstarrten Tiere. 
    "Jim!" 
    "Will,

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