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Das Bourne-Attentat

Das Bourne-Attentat

Titel: Das Bourne-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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erfahren. »Warum musste sie sich wehren? Hat dein Vater sie misshandelt?«
    Arkadin zuckte mit den Achseln. »Nicht mehr als andere Väter, schätze ich. Wenn er von der Arbeit frustriert war, ließ er es an ihr aus.«
    »Und du findest das normal?«
    »Ich weiß nicht, was das Wort normal bedeutet.«
    »Aber du bist Misshandlungen gewöhnt, nicht wahr?«
    »Ist das nicht Beeinflussung des Zeugen, Frau Anwältin?«
    »Was hat dein Vater getan?«
    »Er war consigliere, also Berater, der Kazanskaja – das ist der Moskauer Mafia-Clan, der den Drogenhandel und den Verkauf von ausländischen Autos in der Stadt und den umliegenden Gebieten kontrolliert.« In Wahrheit war er nichts Derartiges gewesen. Arkadins Vater war ein armer Metallarbeiter gewesen, ein verzweifelter Mann, der zwanzig Stunden am Tag betrunken war, so wie fast alle in Nischni Tagil.
    »Dann war Gewalt wohl etwas Alltägliches für ihn.«
    »Mit den schmutzigen Dingen hat er nichts zu tun gehabt«, log Arkadin weiter.
    »Also gut«, erwiderte sie mit einem schmallippigen Lächeln, »was glaubst du dann, woher deine Wutausbrüche kommen?«
    »Wenn ich’s dir sage, müsste ich dich umbringen.«
    Marlene lachte. »Ach komm, Leonid Danilowitsch. Möchtest du nicht etwas für Herrn Ikupow tun?«
    »Natürlich. Ich will, dass er mir vertraut.«
    »Dann sag es mir.«
    Arkadin saß eine Weile schweigend da. Die Sonne fühlte sich gut an auf seinen Unterarmen. Die Hitze schien seine Haut über den Muskeln zu spannen. Er spürte seinen Herzschlag wie Musik. Einen Moment lang fühlte er sich frei von seiner Last, so als gehörte sie zu einem anderen, vielleicht irgendeiner gepeinigten Figur in einem russischen Roman. Dann kam die Vergangenheit ganz plötzlich wieder hoch und traf ihn wie eine Faust in die Magengrube, so dass er sich fast übergeben musste.
    Ganz langsam schnürte er seine Turnschuhe auf und zog sie aus. Er streifte auch die weißen Sportsocken ab, und da war sein linker Fuß mit seinen zwei Zehen und den drei kleinen Stummeln, die so rosa waren wie die Punkte auf Marlenes Bikini.
    »Also, es war so«, begann er. »Als ich vierzehn war, nahm meine Mutter einmal eine Bratpfanne und schlug sie meinem Vater auf den Hinterkopf. Er war wieder einmal stockbetrunken nach Hause gekommen und roch nach einer anderen Frau. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und schnarchte, als sie die schwere Pfanne aus der Küche holte und, ohne ein Wort zu sagen, zuschlug – mindestens zehnmal auf dieselbe Stelle. Du kannst dir vorstellen, wie sein Schädel danach ausgesehen hat.«
    Marlene lehnte sich zurück. Sie schien auf einmal keine Luft mehr zu bekommen. »Das ist jetzt aber nicht wieder irgendeine von deinen Lügengeschichten, oder?«, fragte sie schließlich.
    »Nein«, antwortete Arkadin. »Ist es nicht.«
    »Und wo warst du?«
    »Was glaubst du, wo ich war? Zu Hause. Ich habe alles gesehen.«
    Marlene hob eine Hand an den Mund. »Mein Gott.«
    Nachdem er diesen Giftklumpen ausgespuckt hatte, verspürte er ein befreiendes Gefühl, doch er wusste, was jetzt kommen musste.
    »Was ist dann passiert?«, fragte sie, als sie sich wieder gefangen hatte.
    Arkadin atmete langsam aus. »Ich habe sie gefesselt und geknebelt und sie in den Schrank in meinem Zimmer gesteckt.« »Und?«
    »Ich bin aus der Wohnung hinausgegangen und nie wieder zurückgekehrt.«
    »Was?« Sie sah ihn voller Entsetzen an. »Wie konntest du so etwas tun?«
    »Jetzt bist du schockiert von mir, stimmt’s?« Er sagte es ohne Zorn, sondern mit einer gewissen Resignation. Er konnte sich gut vorstellen, was sie empfand. Wenn sie erst die ganze Wahrheit gewusst hätte!
    »Erzähl mir mehr über den Unfall im Gefängnis.«
    Arkadin wusste sofort, dass sie nach Ungereimtheiten in seiner Geschichte suchte. Das war eine klassische Technik bei Verhören. Sie würde nie die ganze Wahrheit erfahren.
    »Gehen wir ein bisschen schwimmen«, sagte er abrupt. Er zog seine Shorts und das T-Shirt aus.
    Marlene schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht in Stimmung. Geh du nur …«
    »Ach, komm schon.«
    Er stieß sie über Bord, stand auf und sprang zu ihr ins Wasser. Er fand sie unter Wasser; sie versuchte mit Beinbewegungen an die Oberfläche zu kommen. Er schlang die Beine um ihren Hals und drückte fest zu. Dann stieg er an die Oberfläche hoch, hielt sich am Boot fest und wischte sich das Wasser aus den Augen, während sie unter ihm kämpfte. Boote fuhren vorbei, und er winkte zwei jungen Mädchen zu,

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