Das Bourne-Vermächtnis
überleben wollte. Er würde töten müssen, sonst würde er selbst getötet werden.
Kurz vor fünf Uhr schlichen die Männer des Eingreifteams sich von ihrer Ausgangsposition an der Straßensperre lautlos an das Motel an. Dass Jason Bourne hier abgestiegen war, hatte der Nachtportier der Agency gemeldet, der das Gesicht des Flüchtigen auf dem Fernsehschirm vor sich gehabt hatte, als er aus einem von Xanax bewirkten Dämmerschlaf hochgeschreckt war. Er hatte sich gezwickt, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte, einen Schluck billigen Rye genommen und
nach dem Telefonhörer gegriffen.
Der Teamführer hatte verlangt, dass die Außenbeleuchtung des Motels abgeschaltet wurde, damit sein Team sich im Dunkeln annähern konnte. Als seine
Männer jedoch in Stellung zu gehen begannen, ließ der Fahrer des Kühllasters am anderen Ende des Motels seinen Motor an und schaltete die Scheinwerfer ein, deren grelles Licht einige Männer des Teams erfasste. Der Teamleader machte dem ahnungslosen Fahrer verzweifelt Handzeichen; dann rannte er zum Fahrerhaus und forderte ihn auf, schleunigst abzuhauen. Der Fahrer, dem beim Anblick des Teams die Augen aus den Höhlen zu quellen drohten, gehorchte eilig und ließ die Scheinwerfer ausgeschaltet, bis er vom Parkplatz des Motels auf den Highway hinausgerumpelt war.
Der Teamführer gab seinen Männern den Angriffsbefehl, und sie rückten gegen Bournes Motelzimmer vor.
Auf ein Handzeichen hin lösten sich zwei Männer aus der Gruppe und verschwanden zur Rückseite des Gebäudes. Der Führer ließ ihnen zwanzig Sekunden Zeit, in Stellung zu gehen, bevor er den Befehl »Gasmasken auf!«
gab. Zwei seiner Männer ließen sich auf ein Knie nieder und schossen Tränengasgranaten durchs vordere Fenster des Motelzimmers. Als der ausgestreckte Arm des Führers herabzuckte, brachen seine Männer die Tür auf und erstürmten den Raum. Gasschwaden umhüllten sie, als sie mit schussbereiten Maschinenpistolen eindrangen.
Der Fernseher lief, der Ton war leise gestellt. CNN zeigte das Gesicht des Gesuchten. Auf dem fleckigen, abgetretenen Teppichboden waren die Überreste einer hastig eingenommenen Mahlzeit verstreut, und das Bett war abgezogen. Das Zimmer war leer.
Im Laderaum des Kühllasters, der eilends vom Motel wegfuhr, lag Bourne in Bettzeug gehüllt zwischen fast bis zur Decke gestapelten Holzkisten mit Erdbeeren in Plastikkörbchen. Er hatte es geschafft, sich etwas oberhalb der Ladefläche einzurichten, wo die Kisten auf beiden Seiten ihm Halt gaben. Nachdem er hinten eingestiegen war, hatte er die Hecktür hinter sich verriegelt. Wie bei allen Kühllastern ließen die Türen sich auch von innen öffnen und schließen, damit sichergestellt war, dass niemand versehentlich eingesperrt wurde. Bourne hatte kurz seine Stablampe eingeschaltet und einen Mittelgang gesehen, der eben breit genug für einen Mann war. In der Vorderwand rechts oben saß der Lufteinlass des Kühlaggregats.
Plötzlich erstarrte er. Der Sattelschlepper wurde langsamer, als er sich der Straßensperre näherte, dann hielt er ganz. Der Augenblick höchster Gefahr war da.
Schätzungsweise fünf Minuten lang herrschte völlige Stille, dann knarrte die Hecktür, als sie geöffnet wurde.
Stimmen drangen an sein Ohr. »Haben Sie Anhalter
mitgenommen?«, fragte ein Cop.
»Mmh-hmm«, antwortete Guy, der Trucker.
»Hier, sehen Sie sich dieses Foto an. Haben Sie diesen Mann vielleicht am Straßenrand gesehen?«
»Nein, Sir. Den Kerl hab ich nie gesehen. Was hat er angestellt?«
»Was haben Sie dort drin?« Die Stimme eines zweiten Cops.
»Frische Erdbeeren«, sagte Guy. »Hören Sie, Officers, haben Sie ein Herz. Denen tut’s nicht gut, wenn die Tür offen ist. Was verfault ist, wird mir vom Lohn abgezogen.«
Jemand grunzte. Der Strahl einer starken Stablampe huschte den Mittelgang entlang und suchte genau unter der Stelle, wo Bourne zwischen den Erdbeerkisten lag, den Wagenboden ab.
»Okay«, sagte der erste Cop, »zumachen, Kumpel.«
Die Stablampe erlosch, und die Tür wurde zugeknallt.
Bourne wartete, bis der Sattelschlepper wieder in Fahrt war und über den Highway in Richtung D.C. donnerte, bevor er aus seinem Versteck kroch. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Die Cops mussten Guy dasselbe Foto von Daniel Webb gezeigt haben, das schon CNN
gesendet hatte.
Keine halbe Stunde später wurde die gleichmäßige
Fahrt auf dem Highway durch Stop-and-go-Verkehr auf Stadtstraßen mit Verkehrsampeln
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