Das brennende Land
Herr. Wie sollen sie leben, wenn sie nicht mehr auf seine Freigebigkeit zählen können?»
«Du bist dennoch gekommen.»
«Ihr habt mir mein Leben geschenkt, Herr.»
In meinem alten Haus wohnte nun der neue Befehlshaber der Garnison, ein mürrischer Westsachse namens Weohstan, der bei Fearnhamme gekämpft hatte. Als wir in einer regnerischen Nacht unangekündigt in Lundene angekommen waren, hatte Bischof Erkenwald Weohstan befohlen, mich festzunehmen, doch der hatte diesen Befehl missachtet. Stattdessen kam er in den mercischen Königspalas, der sich im ehemaligen Sitz des römischen Statthalters befand. «Seid Ihr hier, um gegen die Dänen zu kämpfen, Herr?», fragte Weohstan mich.
«Das ist er», antwortete Æthelflæd an meiner Stelle.
«In diesem Fall bin ich nicht sicher, ob ich ausreichend Männer habe, um Euch festzunehmen», sagte er.
«Wie viele Männer habt Ihr?» «Dreihundert.» Er lächelte.
«Das sind nicht annähernd genug», versicherte ich.
Ich erklärte ihm, was ich vorhatte, und er sah mich zweifelnd an. «Ich helfe Euch, wenn ich kann», versprach er, doch es lag Zurückhaltung in seiner Stimme. Er hatte schon fast alle seine Zähne verloren, und sein Gezische war schwer zu verstehen. Er war über dreißig Jahre alt, kahl wie ein Ei, rotgesichtig, kurzgewachsen und breitschultrig. Er besaß große Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen und ein unnachgiebiges Auftreten, das ihn zu einem leistungsfähigen Garnisonsführer machte, doch er war auch vorsichtig. Ich traute ihm zu, einen Wall bis zum Weltenende zu verteidigen, doch er war nicht der rechte Mann, um einen verwegenen Angriff zu führen. «Ihr könnt mir jetzt helfen», sagte ich ihm an diesem ersten Tag. Ich bat ihn, mir ein Schiff zu leihen.
Er runzelte die Stirn und dachte über meine Bitte nach, dann kam er zu dem Schluss, dass er nicht zu viel wagte, wenn er sie mir gewährte. «Bringt es aber zurück, Herr», sagte er.
Bischof Erkenwald versuchte mich daran zu hindern, mit dem Schiff flussabwärts zu fahren. Er kam zu der Schiffsanlegestelle neben meinem alten Haus. Weohstan hatte sich einfühlsamerweise anderswo eine Beschäftigung gesucht, und so hatte Erkenwald seine eigene Wache mitgebracht, doch diese drei Männer konnten es mit meiner Mannschaft nicht aufnehmen. Der Bischof trat mir entgegen. «Ich regiere Lundene», sagte er. Das stimmte. «Und Ihr müsst gehen.»
«Ich gehe.» Ich deutete auf das wartende Schiff. «Nicht in einem unserer Schiffe!» «Dann haltet mich auf.»
«Bischof.» Æthelflæd, die neben mir stand, hatte gesprochen. «Eine Frau hat sich nicht in die Angelegenheiten von Männern zu mischen!», fuhr Erkenwald sie an.
Æthelflæd warf den Kopf zurück. «Ich bin ...» «Euer Platz, Herrin, ist an der Seite Eures Gemahls!»
Ich packte Erkenwald an den Schultern und schob ihn auf die Terrasse, auf der Gisela und ich so viele ruhige Abende verbracht hatten. Erkenwald war viel kleiner als ich und versuchte sich meinem Griff zu entziehen, doch als ich ihn losließ, blieb er einfach stehen, wo er war. Das Wasser schäumte laut rauschend durch die Lücken der alten Römerbrücke. Das Geräusch zwang mich, die Stimme zu heben. «Was wisst Ihr von Æthelred und Æthelflæd?», fragte ich.
«Es ist nicht die Aufgabe der Menschen, sich in das Sakrament der Ehe einzumischen», sagte er abweisend.
«Ihr seid doch kein Narr, Bischof.»
Aus zornfunkelnden Augen starrte er zu mir empor. «Der heilige Apostel Paulus weist Frauen an, sich den Wünschen ihrer Ehemänner zu fügen. Wollt Ihr etwa, dass ich etwas anderes predige?»
«Ich will, dass Ihr vernünftig seid», entgegnete ich. «Die Dänen wollen Eure Religion auslöschen. Sie sehen, dass Wessex durch Alfreds Krankheit geschwächt ist. Sie wollen die sächsische Macht in Mercien brechen und sich danach gegen Wessex wenden. Wenn man ihnen ihren Willen lässt, Bischof, dann wird Euch in wenigen Wochen ein Speer-Däne den Bauch aufschlitzen, und Ihr könnt Euer Leben als Märtyrer beschließen. Æthelflæd will das alles verhindern, und ich bin hierhergekommen, um ihr zu helfen.»
Zu seiner Ehrenrettung muss ich einräumen, dass mich Erkenwald nicht des Verrats beschuldigte. Stattdessen stellte er die Borsten auf. «Ihr Gemahl will die Dänen ebenfalls aufhalten.»
«Ihr Gemahl will jedoch ebenfalls Mercien von Wessex abspalten», sagte ich. Er schwieg, denn er wusste, dass es stimmte. «Und wem traut Ihr nun eher zu, Euch vor dem Märtyrertod zu
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