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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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nicht würdig, ein Däne zu sein.»
    «Der Bootsbauer spricht wahr», rief Hrolf, dem das Bier allmählich zu Kopfe stieg. Er schlug seinen Becher gegen jedes Trinkgefäß, das ihm hingehalten wurde. «Auf Helgi! Auf die Dänen! Auf unseren König! Auf Horick den Jüngeren! Und meinetwegen auch auf Hovi!»
    Der Bootsbauer Aslak, der unter den Handwerkern großes Ansehen genoss, legte Helgi eine Hand auf die Schulterund sagte: «Wir alle wollen, dass du gewinnst. Gizur ist eine Schande für jeden ehrlichen Handwerker.»
    «Ich warte heute noch auf ein Messer, das ich letztes Jahr bei dem Kerl bestellt und damals gleich bezahlt habe», warf Falr Leðrsniddari ein, der sich auf das Bearbeiten von Leder verstand und Schuhe, Hosen und Mäntel herstellte.
    «Mir hat er zwei Pfund Bilsenkraut und Fliegenpilze abgenommen», klagte eine alte Frau. «Das Geld dafür habe ich noch immer nicht gesehen.»
    «Und außerdem   …», sagte Aslak und erhob die Stimme, damit alle anderen ihn hören konnten. «Außerdem werden wir nach dem Wettbewerb zu Hovi gehen. Er muss einen Thing einberufen. Dann sollen die Götter darüber urteilen, ob Gizur Einars Mörder ist oder nicht. Wenn er es ist, soll er an Yggdrasils dickstem Ast baumeln.»
    «Dazu wird es aber nur kommen, wenn Gizur verliert», gab Björn zu bedenken. «Hovi wird niemals den Mann verurteilen, der ihm die Kriegswaffen schmieden soll.»
    «Keine Sorge, Helgi wird gewinnen», entgegnete Aslak, und die anderen stimmten ihm zu.
    Da rief Bera lachend: «Hört doch! Gizur arbeitet immer noch. Der wird niemals bis morgen fertig.»
    Tatsächlich: Aus der Nachbarschmiede drangen die Geräusche wütender Hammerschläge bis in Helgis Werkstatt.
    «Ich könnte dem Kryppa für den Wettbewerb mein Rasiermesser leihen», sagte Hrolf, worauf erneut Gelächter durch das Haus schallte.
    Bei Einbruch der Abenddämmerung waren das Bier ausgetrunken und alle Köstlichkeiten aufgegessen. Satt und zufrieden wankten die Nachbarn in ihre Häuser zurück.Sie hatten es ja nicht weit. Nur Hrolf, der am Ende der Straße wohnte, brauchte etwas länger, weil er auf Bera gestützt die ganze Breite der Gasse ausnutzte.
    Er sang mit schwerer Stimme: «Den Tag lob abends. Die Frau im Tode. Das Schwert nach dem Hieb. Die Braut nach der Hochzeit, und eh es bricht, das Eis. Das Bier lob, wenn’s getrunken ist.»
    Bera seufzte in sich hinein und sagte: «Ja, ja.»
     
    Als die Nacht ihre Schwingen über Haithabu ausgebreitet hatte, lauschte Helgi am geöffneten Fenster dem Konzert der zirpenden Grillen.
    Die Sterne glitzerten an der schwarzen Himmelsdecke. Eine beruhigende Stille hatte sich am Vorabend des entscheidenden Tages über die Stadt gelegt. Die Nachbarn waren längst zu Bett gegangen. Auch aus Gizurs Schmiede war kein Laut mehr zu hören.
    Da bemerkte Helgi im fahlen Mondlicht einen Schatten, der sich in der Gasse von Norden her näherte. Der Schatten gehörte einer schwarzverhüllten Gestalt, deren Gesicht nicht zu erkennen war. Anhand der Art zu gehen, glaubte Helgi, dass es sich um einen Mann handelte, der geradewegs auf Gizurs Schmiede zusteuerte und gegen die Tür klopfte. Kurz darauf wurde geöffnet. Gizur erschien im Türrahmen. Die Männer wechselten leise Worte. Dann verschwanden sie in der Schmiede.
    Was hatte das zu bedeuten?
    Helgi schlich aus dem Hintereingang und legte sich hinter dem Weidenzaun auf die Lauer. Wenige Augenblicke später verließ der Mann Gizurs Haus wieder.
    Helgi stockte der Atem, als er den Priester erkannte. Was hatte der Munki mit dem Kryppa zu schaffen?

46.
    Am Tag des Wettbewerbs frischte von Westen her der Wind auf. Fauchende Böen trieben vom Friedhof den Geruch des Todes durch die Gassen der Stadt.
    Als Helgi um die Mittagszeit ins Freie trat, schleuderte ihm eine Böe Straßenstaub ins Gesicht. Er spuckte aus und schaute nach oben. Die Farben des Himmels hatten sich verändert. Das satte Blau der vergangenen Wochen war verschwunden und abgelöst worden von grauen Wolken. Sie verdeckten die Sonne und jagten, vom Wind getrieben, über Haithabu und den Fjord wie eine vor dem Fenriswolf fliehende Schafherde.
    Es war spürbar kälter geworden.
    Jemand rief: «Regen! Jetzt kommt der Regen, Helgi!»
    Er drehte sich um. Die Stimme gehörte Bera Glerpæla, die damit beschäftigt war, eine Ratte an den Türrahmen ihres Hauses zu nageln. Der tote Nager war ein Opfer für den Wettergott Thor.
    Helgi nickte ihr zu, schulterte das in der Holzscheide steckende Schwert

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