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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sich einen Vortrag über elterliche Pflichten anhören zu müssen.
    »Was ist denn, hat sie wieder die Schule geschwänzt? Schicken sie einem deswegen jetzt schon die Bullen auf den Hals?«
    Schwinn lächelte und setzte sich in Bewegung; Ingalls musste zur Seite treten, wobei er fast das Gleichgewicht verlor. Als sie alle drei drin waren, schloss Schwinn die Wohnungstür, Milo und er machten sich instinktiv daran, ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen.
    Schmutzigweiße Wände, entlang der Risse in den Ecken braun, beinahe schon schwarz verfärbt. Der Raum maß vielleicht viereinhalb Meter im Quadrat, eine Kombination aus Wohn und Esszimmer mit Kochecke. Auf der Anrichte stapelten sich weitere Schnellimbiss-Kartons, gebrauchte Pappteller und leere Suppendosen. Vor die beiden armseligen Fensterchen in der gegenüberliegenden Wand waren gelbe Plastikrollos gezogen. Ein schäbiges bräunlichgraues Sofa und ein roter Plastiksessel verschwanden fast unter Bergen von Schmutzwäsche und Papierknäueln. Neben dem Sessel lag ein schiefer Schallplattenstapel, der aussah, als müsse er jeden Moment umkippen. Obenauf Freak Out von den Mothers of Invention, eine fünfzehn Jahre alte LP. Nicht weit davon stand ein billiger Plattenspieler, halb verhüllt von einem rotzgrünen Bademantel. Durch eine offene Tür fiel der Blick auf eine kahle Wand.
    Eine genauere Inspektion des vorderen Zimmers ließ noch mehr Bierdosen erkennen.
    »Wo geht Janie zur Schule, Sir?«, fragte Schwinn.
    »Hollywood High. In was für 'n Schlamassel hat sie sich denn jetzt schon wieder reingeritten?« Bowie Ingalls kratzte sich unter der Achsel und richtete sich zu voller Größe auf. Versuchte wohl so etwas wie väterliche Entrüstung auszustrahlen.
    »Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen, Sir?«
    »Äh… Sie war, sie hat bei einer Freundin übernachtet.«
    »Wann, Sir?«, fragte Schwinn nach, während er sich weiter im Zimmer umsah. Ganz cool, ganz sachlich. Wenn man ihn so sah, wie er seine Detektivnummer abzog, fiel es schwer, sich die krankhafte Schimpfkanonade vorzustellen, die er erst fünf Minuten zuvor losgelassen hatte.
    Milo stand abseits, immer noch bemüht, seine Nerven in den Griff zu bekommen. Sein Verstand wollte sich auf die Arbeit konzentrieren, aber sein Körper klammerte sich an der Wut fest, die Schwinns Ausbruch ausgelöst hatte. Sein Herz raste, sein Gesicht glühte immer noch. Sie hatten hier eine wichtige Aufgabe zu erledigen, doch Milo vertrieb sich die Zeit, indem er sich ein ums andere Mal ausmalte, wie Schwinn auf die Schnauze fiel, wie er, mit seinen eigenen Waffen geschlagen, zu Boden ging, der selbstgerechte Schweinehund, in flagranti erwischt mit Tonya oder irgendeiner anderen »Quelle«. Das ließ Milo innerlich vor Schadenfreude lächeln. Und dann tauchte eine Frage auf: Wenn Schwinn ihm nicht vertraute, wieso war er dann das Risiko eingegangen, es vor seinen Augen mit Tonya zu treiben? Vielleicht war der Kerl einfach nur durchgeknallt… Er schüttelte all diese Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf Bowie Ingalls' Gesicht. Immer noch keine Angst, bloß diese nervtötende dumpfe Trägheit.
    »Äh… Freitagabend«, antwortete Ingalls schließlich, als ob er raten müsste. »Sie können sich setzen, wenn Sie wollen.«
    Es gab in dem ganzen Saustall nur eine Stelle, wo man sich hätte hinsetzen können. Eine Lücke in dem Müllberg auf der Couch, gerade groß genug für eine Person. Ingalls' gemütliches Eckchen. Sehr appetitlich.
    »Nein, danke«, sagte Schwinn. Er hatte seinen Notizblock aus der Tasche gezogen. Milo wartete ein paar Sekunden, bevor er seinen eigenen herausnahm. Er wäre sich sonst vorgekommen wie ein Schauspieler in irgendeiner Fernsehklamotte. »Janie hat also in der Nacht von Freitag auf Samstag bei einer Freundin übernachtet.«
    »Ja. Freitag.«
    »Vor vier Tagen.« Schwinn hatte seinen goldenen Parker-Kuge lschreiber gezückt und kritzelte etwas in seinen Block.
    »Ja. Das macht sie ständig.«
    »Bei Freundinnen übernachten?«
    »Sie ist sechzehn«, sagte Ingalls ein wenig quengelig.
    »Wie heißt denn diese Freundin? Die von Freitagnacht.« Ingalls' Zunge kreiste in seiner linken Wange. »Linda… Nein, Melinda.«
    »Nachname?« Verständnisloser Blick.
    »Sie kennen Melindas Nachnamen nicht?«
    »Ich mag sie nicht, das kleine Flittchen«, sagte Ingalls.
    »Schlechter Einfluss. Gefällt mir gar nicht, dass sie sich so oft hier rumtreibt.«
    »Melinda hat einen schlechten Einfluss auf

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