Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Und sein Bart war aus Silberzwirn; / Gegürtet war er mit blassem Gold, und eine Aureole / (4) Von Gold umgab sein Haupt. / In Silber gekleidet öffnete er / In seiner großen weißen Kugel eine Elfenbeintür / Mit einem kristallenen Schlüssel, und heimlich / (8) Stahl er sich über einen dämmrigen Flur; //
Eine Filigrantreppe aus Spinnenhaar hinab / Schlüpfte er in schimmernder Hast, / Heimlich lachend, froh und frei zu sein, / (12) Eilte er rasch der Erde zu. / Die Perlen und Diamanten hatte er satt, / Auch sein Mondsteinminarett / In schwindelnder Höhe und blendend weiß / (16) In einer Mondwelt, aus Silber gemacht; // Und wagte jede Gefahr für Rubin und Beryll / Und Smaragd und Saphir / Und alle strahlenden Steine für neue Diademe, / (20) Sein blasses Gewand zu zieren. / Er war allein, hatte nichts zu tun, / Als auf die goldene Welt zu starren / Oder auf das ferne Geräusch zu lauschen / (24) Vom fröhlichen Treiben der Welt; //
Und wenn sein Silbermond voll war, / Verlangte ihn bitter nach Feuer – / Nicht nach dem Leuchten blasser Seleniten, / (28) Sondern nach roter irdischer Glut, / Mit Karmesin und Rosa durchsetzt / Und orangenfarben züngelnd; / Nach Meeren von Blau und feurigen Farben / (32) Des tanzenden jungen Morgens; //
Nach den Wiesenpfaden wie Chrysopras / Am gewundenen Lauf von Yare und Nen. / Wie sehnte er sich nach der bevölkerten Erde Frohsinn, / (36) Nach dem lustigen Sinn der Menschen; / Er vermisste Sang und Lachen schon lange / Und heiße Gerichte und Wein, / Derweil er krümlige Schneeflockenkekse aß / (40) Und dünnen Mondschein trank. //
Er zappelte mit den Füßen beim Gedanken an Fleisch, / An Punsch und gewürzte Speisen, / Bis er auf schwankender Treppe danebentrat / (44) Und hinabschoss wie ein Meteor; / Wie die zischenden Funken, die in spritzenden Bögen / Von Sternen wie Regen hinuntergeblasen wurden / Von seiner Leiter und ein schäumendes Bad nahmen / (48) Im Ozean von Almain; //
Und als er sich fragte, bevor er versank, / Was, beim Mond, er tun könne, / Fand ihn ein Boot aus Yarmouth weit draußen, / (52) Und zur Verwunderung der Besatzung / Fing er sich im Netz, in schimmernder Nässe / Und in einem Phosphorschein / Von bläulichem Weiß und Opal / (56) Und zartem flüssigen Grün. //
Mit dem Morgenfang – auf eigenen Wunsch – / Brachten sie ihn nach Norwich, / Sich mit Gin zu wärmen in einer Norfolk-Kneipe / (60) Und sein nasses Gewand zu trocknen. / Obgleich Sankt Peters Ruf manche Glocke weckte / Auf den klingenden Türmen der Stadt, / Die Neuigkeit von seiner verrückten Fahrt / (64) In den frühen Morgenstunden zu künden,//
Wurde ihm kein Herd entzündet, kein Frühstück gemacht, / Wollte niemand ihm Gemmen verkaufen; / Asche fand er statt Feuer, und sein frommer Wunsch / (68) Nach Chorgesang und wackeren Hymnen / Stieß auf Schnarchen nur, denn Norfolk schlief, / Und fast zerbrach sein ehrliches Herz, / Leerer und kälter als einst dort oben, / (72) Bis er seinen schönen Umhang hergab //
An einen schlaftrunkenen Koch für einen Küchenwinkel / Und seinen goldenen Gürtel für ein Lächeln / Und einen kostbaren Edelstein für einen Napf Grütze, / (76) Ein Pröbchen, kalt und grauslich, / Vom prächtigen Pflaumenbrei aus Norwich in Anglia – / Er kam vielzu früh an / Für einen ungewöhnlichen Gast auf Abenteuerfahrt / (80) Von den Gebirgen auf dem Mond.
Es scheint sehr wahrscheinlich, dass das »Mondsteinminarett« in dem »kleinen weißen Türmchen« wieder auftaucht, das Uole Kúvion auf dem Mond erbaute und das »er oft besteigt und von wo er den Himmel oder die Welt tief unten beschaut«. Das Minarett des Mannes im Mond blieb in der endgültigen Fassung erhalten. Der Ozean von Almain ist die Nordsee ( Almain oder Almany war im frühen Englisch ein Name für Deutschland); die Yare ist ein Fluss in Norfolk, der bei Yarmouth ins Meer fließt; und die Nene (mit kurzem Vokal gesprochen) fließt in den Wash.
X. GILFANONS GESCHICHTE: DAS LEID DER NOLDOLI UND DIE ANKUNFT DES MENSCHENGESCHLECHTES
D er verworfene Text von der Verhüllung von Valinor, ein kleines Stück nach dem Schluss von Vaires Erzählung, lautet: »Nachdem nun diese Geschichte erzählt war, hatte es für diesen Abend mit dem Erzählen sein Bewenden, doch Lindo bat Ailios darin einzuwilligen, dass am nächsten Abend, oder sobald als möglich, ein feierliches Geschichtenerzählen stattfinden sollte; aber Ailios mochte nicht zustimmen und brachte vor, er müsse gewisser
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