Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Teiglin-Schlucht bei Cabed-en-Aras, dem Hirschsprung, in der Nähe des Ortes, wo Turambar neben Glaurung lag und wo auch Turambars Selbstmord stattfand. Das Gefühl der Furcht, das Níniel empfand, als sie zum ersten Mal mit den Waldmenschen zur Silberschale kam (S. 161), war also eine Vorahnung ihres Todes an dieser Stelle; in der veränderten Geschichte jedoch gibt es weniger Grund für eine von diesem Ort ausgehende Todesahnung. Während jedoch der Ort sich änderte, blieb das Welken der Blätter erhalten und auch der Hauch von Ehrfurcht, der den Schauplatz ihres Todes umgab: Niemand suchte später Cabed-en-Aras auf, und niemand betrat den Rasen oberhalb der Silberschale.
Der bemerkenswerteste Punkt der frühesten Fassung der Geschichte von Turambar und Níniel ist mit Sicherheit, dass mein Vaterbei der ersten Niederschrift nicht schrieb, dass sie ein Kind von Turambar erwartete (Anmerkung 25); und folglich gibt es in der frühen Geschichte keine Entsprechung zu Glaurungs Worten in der Narn (S. 191): »Die schlimmste von allen Taten aber spüre du im eignen Leibe!« Der eigentliche Grund für Níniels äußerste Verzweiflung und für ihr Grauen wurde also erst in einer späteren Fassung genannt.
Zum Schluss dieser langen Analyse der Geschichte von Turambar sollte nicht versäumt werden, auf das Fehlen von Ortsnamen im letzten Teil hinzuweisen. Der Wohnort der Rodothlim wird nicht benannt und auch nicht der Fluss, an dem er lag; der Wald, in dem die Waldmenschen wohnten, ihre Siedlung, ja selbst der Fluss, der am Schluss der Erzählung von so zentraler Bedeutung ist – sie haben keine Namen. (Im Gegensatz dazu die späteren Erzählungen: Nargothrond, Narog, Tumhalad, Amon Ethir, Brethil, Amon Obel, Ephel Brandir, Teiglin, Celebros.)
2. Eltas’ Fortsetzung der Geschichte (nach Túrins Tod)
Mein Vater strich den größeren Teil dieser Fortsetzung und ließ nur den Text bis zu den Worten »der wegen ihres großen Unglücks nicht zu Mandos einkehren wollte« stehen (S. 180; vgl. Anmerkung 29). Aus der kurzen erhaltenen Passage ist zu ersehen, dass die Geschichte Morwens, die zu Túrins Grab kommt, bereits in der ersten Fassung vorhanden ist, obgleich Morwen in der späteren Geschichte dort auf Húrin traf (Das Silmarillion, S. 225). Der später verworfene Textabschnitt setzt die Geschichte fort wie folgt:
Doch heißt es auch, dass Úrin, nachdem das Verhängnis seines Volkes gänzlich erfüllt war, von Melko freigelassen wurde und, vom Alter gebeugt, in bessere Lande zog. Dort sammelte er einige Männer um sich, und sie gingen und fanden die Höhlen der Rothwarin leer, und niemand bewachte sie, und noch immer lag dort ein gewaltiger Schatz, denn niemand hatte ihn gefunden, weil der Schrecken des Drachen länger lebte als dieser selbst, und niemand hatte sich dorthin gewagt. Úrin aber ließ das Gold stracks vor Linwe bringen, und indem er es ihm vor die Füße warf, gebot er ihm verbittert, seinenschändlichen Lohn in Empfang zu nehmen, und nannte ihn eine Memme, deren Schwächlichkeit viel Unheil über sein Haus gebracht habe, das niemals hätte geschehen dürfen; und damit begann eine neue Fremdheit zwischen Elben und Menschen, denn Linwe war zornig über Úrins Worte, hieß ihn sich zu entfernen und sagte: »Lange habe ich Túrin, deinen Sohn, aufgezogen, ihm seine bösen Taten verziehen, und danach habe ich deiner Gemahlin geholfen und, gegen mein besseres Wissen, ihren stürmischen Wünschen nachgegeben. Doch was kümmert mich das – und warum machst du, o Sohn der ungehobelten Menschenrasse, fortwährend einem König der Eldalie Vorwürfe, dessen Leben in Palisor begann, ungezählte Zeitalter, bevor Menschen geboren wurden?« Und da wollte Úrin fortgehen, seine Männer jedoch waren nicht gewillt, das Gold zurückzulassen, und zwischen ihnen und den Elben erwuchs ein Zwist, scharfe Hiebe wurden ausgeteilt, und Tintoglin [Tinwelint] konnte ihnen keinen Einhalt gebieten.
So wurde denn Úrins Schar dort in der Halle erschlagen, und mit ihrem Blut befleckten sie den Hort des Drachen; Úrin aber entkam und sprach über dieses Gold einen furchtbaren Fluch, dass niemand sich daran ergötze und jedem, der ein Stückchen davon besitze, Unheil und Tod daraus erwachse. Linwe aber, der diesen Fluch vernahm, ließ das Gold an einer tiefen Stelle in den Fluss werfen, der vor seinen Toren floss, und lange sah ihn niemand wieder, bis auf den Ring des Schicksals [verbessert zu: das Halsband der Zwerge], und diese
Weitere Kostenlose Bücher