Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Individualität zurück – doch nun ›sterblich, genau wie die Menschen‹.«
Hier jedoch »schwand« Tinúviel und »verschwand in den Wäldern«; und Beren, nachdem er sie gesucht hatte, »schwand« schließlich ebenfalls »aus dem Leben«. Da dieses Hinschwinden zweifelsohne die Art des Sterbens ist, in der sich »das Verhängnis der Sterblichkeit, das Mandos über sie ausgesprochen hatte« vollzieht, ist es sehr bedeutungsvoll, dass diese Art mit dem Dahinschwinden der »Elben späterer Tage« gleichgesetzt wird – als sei in der ursprünglichen Vorstellung das elbische Dahinschwinden eine Form von Sterblichkeit. Dies wird in der Tat aus späteren Versionen deutlich.
Die sieben Söhne Feanors, ihr Eid (geschworen nicht in Valinor, sondern nach der Ankunft der Noldoli in den Großen Landen) und die Verstümmelung von Maidros tauchen in den Abrissen für Gilfanons Geschichte auf; im letzten dieser Abrisse wohnen die Feanorer in Dor Lómin (= Hisilóme, Hithlum) (vgl. Teil 1, S. 383f.; 389). Hier, in der Geschichte vom Nauglafring, tauchen die Namen der Söhne zum ersten Male auf, und zwar fünf in den Formen, die sie beibehalten sollten (Maidros, Maglor, Celegorm, Cranthor, Curufin), und Curufin bereits mit seinem Beinamen »der Geschickte«. Die Namen Amrod und Amras im Silmarillion waren eine späte Veränderung; denn diese zwei Söhne Feanors waren lange Damrod (wie hier) und Díriel (hier Dinithel oder Durithel); vgl. Veränderungen der Namen, S. 372.
Hier erscheint auch Dior der Schöne, auch Ausir der Reiche genannt; sein Sohn Auredhir verschwand früh. Doch Dior herrschte »in den südlichen Tälern« von Hisilóme und nicht in Artanor, und es gibt keinen Hinweis auf eine mögliche Erneuerung von Tinwelints Königreich nach seinem Tod, im Gegensatz zu dem, was später gesagt wird (Das Silmarillion, S. 262); überdies wohnten auch die Feanorer in Hisilóme – ich kann nicht sagen, wie all dies mit der Aussage über die Bewohner dieses Gebietes auf einen Nenner zu bringen ist, die sich in der Geschichte von Tinúviel findet: »… Hisilóme … woMenschen lebten und versklavte Noldoli arbeiteten, und wohin wenige freie Eldar gingen« (S. 20).
Eine sehr sonderbare Stelle findet sich am Schluss der Geschichte: »Dies nun waren Tage des Glücks in den Tälern von Hithlum, denn man lebte in Frieden mit Melko und den Zwergen, die nur daran dachten, sich gegen Gondolin zu verschwören« (S. 367). Vermutlich will »Frieden mit Melko« nicht mehr besagen, als dass Melko seine Aufmerksamkeit von diesen Regionen abgewendet hatte; doch von einer Verschwörung der Zwerge gegen Gondolin ist nirgendwo sonst die Rede.
In der Typoskript-Fassung der Geschichte von Tinúviel (S. 75) heißt es von Turgon, König von Gondolin, er war der »ruhmreichste« der Könige der Elben, die Melko Widerstand leisteten; Thingol jedoch war »eine Zeitlang der mächtigste, und er bewahrte sich am längsten seine Freiheit«. Die nächstliegende Deutung ist sicherlich, dass Gondolin vor Artanor zugrunde ging, wogegen es im Silmarillion (S. 267) heißt: »Nachricht kam durch Thorondor, den Herrn der Adler, vom Fall Nargothronds und später vom Tode Thingols und Diors, seines Erben, und von der Vernichtung Donaths; doch Turgon verschloss seine Ohren vor den Leiden der Welt draußen und gelobte …«. Der vorliegenden Geschichte liegt dieselbe Chronologie zugrunde: Viele der Elben, die Beren folgten, gingen nach seinem Tode nach Gondolin, »denn das Gerücht seiner wachsenden Macht und Pracht lief wie ein verborgenes Raunen durch alle Elbenvölker« (S. 366), obgleich hier die Zerstörung Gondolins am selben Tag stattfindet wie der Angriff der Söhne Feanors auf Dior (S. 367). Um diesen Widerspruch aufzuheben, muss man die Passage in der Geschichte von Tinúviel so interpretieren, dass sie meint, Thingols Freiheit habe einige Jahre länger gedauert als die Turgons, unabhängig von den Zeitpunkten ihres Untergangs.
Die Bemerkungen schließlich, dass Cûm an-Idrisaith, der Grabhügel der Habsucht, »noch immer in Artanor steht« (S. 338) und die Wasser des Aros »immer weiter über dem versunkenen Hort« flossen (S. 363), sind bedeutungsvoll, da sie bezeugen, dass in der vorliegenden Geschichte nichts vorhanden war, was der späteren Überschwemmung Beleriands entspricht.
V. DIE GESCHICHTE VON EARENDEL
D ie Geschichte von Earendel sollte eigentlich mit dem Aufenthalt der Lothlim an den Mündungen des Sirion beginnen (genau an der Stelle,
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