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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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beide Hände in die Höhe, und mit einem einzigen unermesslichen Akkord, höher als der Sternenhimmel, prächtiger als die Sonne und durchdringend wie das Licht aus dem Auge Ilúvatars, zerbrach die Musik und verstummte.
    Darauf sprach Ilúvatar: ›Mächtig sind die Ainur und ruhmvoll, und an Kenntnis ist unter ihnen Melko der mächtigste; gleichwohl aber soll er wissen und alle Ainur ebenso, dass ich Ilúvatar bin, der jene Dinge, die ihr gespielt und gesungen habt, nicht allein für die Musik erschaffen hat, die ihr in den himmlischen Gefilden spielt, mir zur Freude und euch zum Spiel, sondern vielmehr, dass sie Gestalt und Wesen haben mögen, genau wie ihr, die Ainur, die ich geschaffen habe, auf dass sie teilhaben am Dasein Ilúvatars. Vielleicht werde ich diese Dinge lieben, die meinem Lied entstammen, ebenso wie ich die Ainur liebe, die ich ersonnen habe und vielleicht noch mehr. 4 Und du, Melko, sollst sehen, dass kein Thema gespielt werden kann, das nicht in mir seinen tiefsten Grund hätte, noch dass einer das Lied ändern kann, mir zum Trotz. Dennwer dies unternimmt, wird sich am Ende nur als mein Werkzeug erweisen, um Herrlicheres zu schaffen und noch erstaunlichere Wunder. Denn seht! Durch Melko sind Schrecken wie ein Feuer, Leid wie dunkles Wasser, Zorn wie Donner und Unheil, so weit von meinem Licht entfernt wie die Tiefen der äußersten Finsternis, in den Plan eingedrungen, den ich vor euch ausgebreitet habe. Durch ihn sind Schmerz und Jammer im Klang überwältigender Musik Gestalt geworden; und mit der Unordnung der Klänge sind Grausamkeit, Raubgier, Dunkelheit, widerlicher Schmutz und rasende Flammen und gnadenlose Kälte geboren worden, und Tod ohne Hoffnung. Dies geschah durch ihn, nicht aber aus seiner Macht; und er wie alle Ainur, und sogar wie jene Geschöpfe, die nun zwischen all seiner Bosheit wohnen und durch Melko Elend und Kummer, Schrecken und Niedertracht erleiden müssen, sollen am Ende erkennen und verkünden, dass dies alles nur meinen Ruhm noch vergrößert, das Thema noch hörenswerter, das Leben noch wertvoller und die Welt umso wunderbarer und erstaunlicher macht, so dass man von allen meinen Taten diese die gewaltigste und schönste nennen wird.‹
    Da fürchteten sich die Ainur, und sie verstanden nicht alles, was er sagte, und Melko war von Scham erfüllt, aus der Zorn erwuchs; jedoch Ilúvatar sah ihre Verwunderung, erhob sich in Herrlichkeit und ging fort von seinen Wohnsitzen, vorbei an den lichten Gefilden, die er für die Ainur geschaffen hatte, und er forderte sie auf, ihm zu folgen.
    Als sie nun die tiefste Leere erreicht hatten, erschauten sie dort, wo zuvor ein Nichts gewesen war, außerordentliche Schönheiten und Wunder; aber Ilúvatar sprach: ›Sehet nun euren Gesang und eure Musik! So wie ihr aus meinem Willen gespielt habt, ebenso nahm eure Musik Gestalt an. Schaut!Ebenjetzt entfaltet sich die Welt, und ihre Geschichte nimmt ihren Lauf wie mein Thema in euren Händen. Jeder von euch soll in diesem meinem Plan die Ausschmückungen und Verschönerungen eingeschlossen finden, die er selber ersonnen hat; und sogar Melko wird all die heimlichen Gedanken seines Herzens entdecken, die nicht im Einklang stehen mit den meinen, und er wird erkennen, dass sie nur ein Teil des Ganzen und dessen Ruhm untertan sind. Eines nur habe ich hinzugefügt, das Feuer nämlich, welches Leben und Gestalt verleiht‹ – und siehe, das Geheime Feuer erglühte auf im Herzen der Welt.
    Da sahen die Ainur voll Erstaunen, wie die Welt sich inmitten der Leere wölbte und doch von ihr getrennt war; und jubelnd erblickten sie Licht und sahen, dass es weiß und golden zugleich war, und sie erfreuten sich an der Schönheit der Farben, und das mächtige Brausen des Ozeans erfüllte sie mit Verlangen. Und ihre Herzen labten sich an der Luft und den Winden und an den Elementen, aus denen die Erde gemacht war – Eisen und Stein und Silber und Gold und viele andere Stoffe; doch von allen diesen schätzten sie am höchsten das Wasser und priesen es über die Maßen. Denn wahrlich, mehr als in jedem anderen Stoff auf dieser Erde ist im Wasser noch ein Widerhall der Musik der Ainur lebendig, und bis auf den heutigen Tag lauschen viele Söhne der Menschen unersättlich der Stimme des Meeres und wissen doch nicht, wonach sie sich sehnen.
    Wisset denn, dass das Wasser zum größten Teil der Traum und die Erfindung Ulmos war, jenes Ainu, den Ilúvatar von allen am tiefsten in der Musik unterwiesen hatte;

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