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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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die zentralen Erkenntnisse ihrer »Prospect Theory«, der »Neuen Erwartungstheorie«. 9
    Vermessenheitsverzerrung: Wir überschätzen ständig unsere eigenen Fähigkeiten und unseren Mut in brenzligen Situationen. Viele Menschen neigen auch zu einer Art positivistischem Aberglauben, sie glauben, mit bestimmten symbolischen Handlungen tatsächlich Realität beeinflussen zu können (Tragen eines T-Shirts beim Spiel der eigenen Mannschaft etc.).
    Ankereffekt: Eine einmal getroffene Vergleichsaussage wird zur Norm für alle weiteren Definitionen. Selbst wenn sie falsch ist und aus einer sehr fragwürdigen Quelle stammt, bildet sie den Maßstab für spätere Entscheidungen.
    Nähe-Verzerrung: Wenn wir eine bestimmte Problematik allzu sehr »von innen« beurteilen, neigen wir gerade deshalb zu Fehleinschätzungen. Wir können das Phänomen nicht mehr im größeren Kontext sehen. Deshalb irren sich ausgerechnet Fachleute und Spezialisten, wenn sie Prognosen über ihr eigenes Genre aufstellen sollen.
    Status-quo-Fanatismus: Menschen werden sehr aktiv, wenn es gilt, ihren einmal erreichten Status zu bewahren. Das führt zu den bekannten Phänomenen des Klammerns an falsche Strategien: Ein Bankmanager, der zuvor hohe Gewinne erzielt hat, ist in der Krise praktisch unfähig zu sehen, dass die Strategie so nicht mehr funktioniert. Er wird eher Kollegen denunzieren, lügen oder Zahlen schönen, als einen neuen Anfang zu suchen. Phänomene wie der Burn-out haben auch mit diesem panischen »Drang zur Bewahrung des einmal Erreichten« zu tun.
    Gewinn- und Verlustvermeidung: Menschen fürchten Verlust mehr, als sie sich von Erfolgen begeistern lassen. Sie investieren mehr Energie darin, Übel zu vermeiden als Chancen aufzubauen. Das bedeutet, dass sie eher zu konservativen Strategien und damit
zu Nichtwandel neigen. Für das alltägliche Leben heißt das, dass die fatalen Komfortzonen ständig wachsen.
    Wenn wir uns solche Fallstricke nun bewusst machen, welche Taktiken und Strategien, welche mentalen Übungen könnten ihnen entgegenwirken?

Warum intelligente Menschen selten streiten
    Hin und wieder werde ich in eine Talkshow eingeladen. Meistens verlaufen die Vorgespräche mühsam, weil der Moderator etwas aus mir herauskitzeln möchte, was er als »Story« im Sinne der Einschaltquoten verkaufen kann. »Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die Jugendlichen heute immer mehr verwahrlosen und der Egoismus ein echter Megatrend ist?« – »Glauben Sie nicht, dass der Dritte Weltkrieg bevorsteht?«
    Glaube ich nicht. Schweigen. »Können Sie Ihre Thesen vielleicht in einem knackigen, prägnanten Satz ausdrücken?« Kann ich nicht. Oha.
    Und schon bereuen sie es, mich eingeladen zu haben. Aber noch kann man ja versuchen, die anderen Talkshow-Gäste so gegeneinander aufzuhetzen, dass dabei ein »interessantes« Gespräch herauskommt.
    Ich habe festgestellt, dass Menschen mit einem komplexen Bewusstsein nicht wirklich streiten. Sie beleuchten die Dinge in ihren verschiedenen Aspekten. Sie loten die Zusammenhänge aus, helfen sich gegenseitig auf die Sprünge, fügen die Teile des Puzzles zusammen, das sich »Wirklichkeit« nennt. Sie sagen nicht »Das ist Unsinn«, sondern »Man könnte dem einen anderen Aspekt hinzufügen«. Sie formulieren nicht nur »Sie sind auf dem Holzweg«, sondern beschreiben den Duft anderer Hölzer. Die Wahrheit ist im Grunde unteilbar, und sie ist vor allem nicht binär, schwarzweiß. Ein solcher Stil hat seine Gründe nicht in Höflichkeitsfloskeln, sondern in einigen Denkweisen, die man üben kann.

    Furchtloses Denken: Die erste Taktik besteht in dem, was Norbert Bolz die »Entübelung des Bösen« nannte. Wir sollten in der Lage sein, Phänomene, die uns Angst machen, aus einiger Distanz zu betrachten. Dafür müssen wir uns ein Stück weit von Affekten trennen können.
    Nehmen wir zum Beispiel Ehescheidungen. Im Licht unserer Verlassensangst (im »romantischen Denken«) ist Scheidung grundsätzlich negativ. Bei Scheidungen werden Bindungen zerstört, Kinder zu Scheidungswaisen. Daraus folgt der Umkehrschluss: Wenn die Bindungsmoral von »früher« wieder eingeführt wird, kann unser gesellschaftliches Leben wieder stabiler, glücklicher werden. Ein klassischer moralischer Fehlschluss.
    Der Sozioökonom Tim Hartford weist in seinem Buch »The Logic of Life« nach, dass hohe Scheidungsraten für die Qualität von Liebe, Beziehung, Ehe und Elternschaft positive Auswirkungen haben. In einem Beziehungsmarkt,

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