Das Buch des Wandels
Zeppelin-Universität?
Hier ist alles anders, wie in Alices Universum hinter den Spiegeln. Also wie in der Wirklichkeit. Man muss schnell rennen, um auf der Stelle zu bleiben. Oder sehr langsam sein, um sich kräftig zu bewegen. »Durchfallen« wird hier nur, wer eine richtige, eine endgültige und korrekte Antwort geben will.
Dann allerdings ist er sofort draußen.
Kurzanleitung für fluides Denken
1. Vergessen Sie den Hauptwiderspruch. Komplexität bedeutet eben, dass keine eindeutige Achse zwischen Punkt A und B existiert, sondern eine Vielfalt von Verbindungen zwischen vielen Punkten. Die Welt hat mindestens elf Dimensionen und ebenso viele Achsen. (Warum elf? Habe ich mir so ausgedacht!)
2. Denken Sie ruhig mit Gefühlen. Und mit dem Körper. Mit dem Bauch sowieso. Die Wahrheit ist: Wir können gar nicht anders. Denken und Gefühle sind miteinander verbunden, und um diese Verquickung zu nutzen statt an ihr zu leiden, müssen wir sie verstehen. William James sagte: »Wenn wir uns ein starkes Gefühl vorstellen und dann versuchen, in unserem Bewusstsein jegliches Empfinden für seine Körpersymptome zu eliminieren, stellen wir fest, dass wir nichts zurückbehalten.« 21 Dass unser Körper am Denken beteiligt ist, kann uns ein realistischeres Bild von uns und unserer Umwelt geben.
3. Haben Sie keine Angst vor Irrtümern. Wer nicht irrt, kommt nicht voran. Simulatives Denken hilft, die Folgen zu mildern. Simulieren Sie, versuchen Sie, die Dinge in vielfältiger Hinsicht durchzuspielen. Die Szenariotechnik, die aus den Traditionen der neueren Zukunftsforschung stammt, hat hier ihren Ursprung. Ihr Kopf ist eine Simulationsmaschine. Schon seit einer Million Jahren!
4. Machen Sie eine Klischeediät. Klischees sind Positionierungen des Selbst. Wir möchten uns unterscheiden, und deshalb können
wir gar nicht anders, als Muster zu Bildern zu kollektiven Stereotypen zu machen. Da die Political Correctness keine Alternative ist, empfehle ich Humor und die »reverse« Klischeetaktik: Klischees lassen sich nur mit einer Überdosis bekämpfen. Lassen Sie sich selbst als Klischee »von anderen erkennen« – Sie weißhäutiger deutscher Pumpernickel oder bajuwarischer Holzkopf oder irischer Trottelkopf oder wer auch immer Sie sein mögen!
5. Üben Sie »sowohl als auch«. Ganz selten ist ein Phänomen nur einer Kausalität geschuldet. Das macht natürlich unruhig: Man kann es nicht mehr »auf den Punkt bringen«. Aber das ist es ja, was die Welt so spannend macht: Beim Fußballspiel will man ja den Ball auch nicht immer nur aus einer Kameraperspektive sehen. Und das Leben ist ein verdammt großes Fußballspiel!
6. Denken Sie in Systemen. Natürlich kann es auf den ersten Blick verwirrend sein, dass »alles mit allem« zusammenhängt. Aber man gewöhnt sich dran. Irgendwann sieht man die Welt als das, was sie ist: ein wunderschöner Fluss von Wechselwirkungen. Wenn man das einmal geschafft hat, erscheint einem alles Lineare als dröge und leer.
7. Verlassen Sie die Kausalität. Die Welt ist nicht »logisch« in dem Sinne, dass »eines aus dem anderen zwangsläufig folgt«. Die Welt ist das Ergebnis zahlloser Spiele – ökonomischer, kultureller, mentaler, erotischer, kognitiver Spiele, die alle miteinander vernetzt und verbunden sind.
Womit wir geradewegs beim nächsten Kapitel angelangt wären.
8 SPIELE DES LEBENS
Die Evolution der menschlichen Kooperation
Gesellschaft ist im Wesentlichen die Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen, die durch Interaktionen verbunden sind.
Georg Simmel
Menschen zum Mond und wieder zurückzubringen, war eigentlich eine einfache Übung – verglichen mit einigen anderen Zielen, die wir uns gesetzt haben – zum Beispiel eine humane Gesellschaft oder eine friedliche Welt.
Herbert Simon
Menschen spielen mit allem, das sie umgibt, mit Worten, mit der Macht, mit der Liebe, der Musik.
Bernward Thole
In der Wohngemeinschaft
In meiner Jugend habe ich viele Jahre in Wohngemeinschaften gelebt. Fast zwei Jahrzehnte lang, bevor auch ich mit der für meine Generation typischen Verspätung eine Familie gründete, war ich der Meinung, dass mein Leben niemals in der Enge einer spießigen Zweierbeziehung enden dürfe. Und so schloss ich mich den Hunderttausenden an, die damals ein ziemlich anstrengendes soziales Experiment rund um die Uhr wagten.
Wohngemeinschaften, abgekürzt »WGs«, waren in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht jene Zweckgemeinschaften, wie
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