Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
seinen Blick von dem alten Krieger ab, nicht einmal Libuse, die nervös auf den Fellen herumrutschte. Seine Augen fixierten Corax. » Großes steht auf dem Spiel. Und ich bin nicht allein hergekommen. Ich würde nicht für mich um Schutz bitten, das weißt du. Aber diejenige, die mich begleitet, hat jeden Schutz nötig, den ich ihr bieten kann. Und um ihretwillen werde ich mich mit einem Nein nicht zufrieden geben. «
» Das ist nicht meine Angelegenheit. «
» Niemand kennt sich dort, wo wir hingehen, so gut aus wie du, Corax. Keiner, den ich kenne, ist je so weit vorgedrungen. Und keiner ist so lange dort gewesen. «
Libuse starrte ihren Vater an. Albertus ’ Worte schienen eine Tür aufzustoßen, die bislang fest verschlossen gewesen war. Plötzlich schien es ihr, als läge alles, wonach sie so lange gesucht hatte, in greifbarer Nähe vor ihr. Die Geschichte ihres Vaters. Seine Vergangenheit und damit auch ihre eigene. Die Geschichte ihrer Mutter.
Alles Vergangene, über das ihr Vater niemals sprach, schie n m it ihrer Mutter zu tun zu haben. So als hätte ihr Tod alles, was gewesen war, auf irgendeine Weise vergiftet. Ein Schatten, der sich aus früheren Zeiten auszustrecken schien, geradewegs auf Libuse zu.
Und obgleich sie Albertus nicht mochte, nicht seine Art, nicht seine stechenden Augen, flehte sie stumm, dass er weitersprechen möge.
» Du willst dort hingehen? «, fragte Corax verwundert.
» Ich habe keine Wahl. Es steht viel auf dem Spiel. «
» Aber das hat nichts mit mir zu tun. «
» O doch. Mit jedem von uns. Mit dir, mit mir, sogar mit deiner Tochter. « Albertus wies in Libuses Richtung, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
» Wenn du Schutz brauchst, dann kauf dir ein paar Söldner «, sagte Corax rau. » Es sollte genug davon geben. Männer, die zu alt geworden sind, um ihren Herrn zu dienen. Denen man gesagt hat, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Dass sie zu lange gekämpft haben, um in Zeiten des Friedens zu irgendetwas nütze zu sein. «
Er hatte die Fäuste auf der Stuhllehne geballt. An seiner Schläfe trat eine Ader hervor, die Libuse nie zuvor aufgefallen war. In ihrem Magen begann es zu rumoren. Mit einem Mal wünschte sie, der Fremde würde gehen. Und doch schien er der Einzige zu sein, der ihren Vater zum Reden brachte.
» Ich werde verfolgt «, sagte Albertus.
Corax nickte. » Ich weiß. «
» So? «
» Reiter. Draußen in den Wäldern. Ich habe sie gehört. «
Albertus holte tief Luft. » Dann sind sie näher, als ich dachte. «
» Wer sind sie? «
» Männer des Erzbischofs. Konrad hat sie ausgesandt. «
Etwa Konrad von Hochstaden?, durchfuhr es Libuse. Der Erzbischof von Köln war der frühere Dienstherr ihres Vater s g ewesen. Der Mann, dem Corax den heiligen Eid als Ritter geschworen hatte. Und der ihn fortgeschickt hatte, als Corax in seinen Augen zu alt geworden war; so jedenfalls hatte er es ihr wieder und wieder erzählt.
Sie wagte kaum zu atmen, aus Furcht, ihr könnte irgendein Wort, eine Geste, nur eine Regung in den Gesichtern der beiden Männer entgehen.
» Konrad würde es nicht wagen, heute noch gegen dich vorzugehen «, sagte Corax nach einer kurzen Pause, während der er sein Gegenüber eingehend musterte. » Du bist mittlerweile … ja, was eigentlich, Albertus? Das Oberhaupt der Dominikaner? «
Der Geistliche schüttelte bescheiden den Kopf. » Provinzialprior. «
» Ein mächtiger Mann, ganz ohne Zweifel. Konrad würde es nicht wagen, Waffengewalt gegen dich anzuwenden. «
» Er hat es schon einmal getan. «
» Aber das ist viele Jahre her. Damals warst du kaum mehr als ein einfacher Mönch, der ihm ein Dorn im Auge war. «
» Er hätte heute eine Sorge weniger, hättest du mich damals nicht gewarnt, Corax. «
Libuse starrte ihren Vater ungläubig an. Von alldem hatte sie noch nie etwas gehört.
» Du hast mein Leben gerettet, und ich das deine «, sagte Corax. » Aber das bedeutet auch, dass die Schuld ausgeglichen ist. «
Albertus lächelte. » Du bist später noch einmal zu mir gekommen. Vergiss das nicht. «
Corax presste die Lippen aufeinander, bis sie nur mehr weiße Striche waren.
Albertus seufzte, und die Flammen glühten nun auch in seinen Augen, lodernde Spiegelbilder des Kaminfeuers. » Konrads Männer haben ein Kloster zerstört, mehrere Tagesreisen von hier, in Frankreich. Es gab nur eine einzige Überlebende , eine junge Novizin namens Favola. Sie ist es, auf die es der Erzbischof abgesehen hat. Auf sie und das, was
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